Unrecht aufdecken!

Ehemalige DDR-BürgerInnen fordern die Offenlegung der politischen Justiz und ihrer Methoden sowie die Freilassung aller politischen Gefangenen  ■ D O K U M E N T A T I O N

Die Welt bewältigen durch Gewalt

Die Umstände zeigen, daß dies unmöglich istLao-tse

Die „Liste '89“ ist eine Initiative von ehemaligen Bürgern der DDR, die aufgrund der politischen Paragraphen 99, 106, 107, 214, 217, 218, 219, 220, 221, 222 und 223 des Strafgesetzbuches der DDR inhaftiert, verurteilt und ausgebürgert bzw. ohne Gerichtsverfahren ausgebürgert wurden, sowie deren Angehörigen, die indirekt davon betroffen waren.

Verkauft in den Westen, von den zuständigen Organen als Rowdys, Verräter, Verbrecher dargestellt, gab es keine Möglichkeit mehr, sich zu der Vorgehensweise der Ordnungs und Sicherheitsorgane sowie zu den Prozessen zu äußern.

Die Erfahrung, wie schnell Verwandte, Freunde und Nachbarn in die Gefängnisse verschwanden, hat das Miteinanderleben der Bürger in mißtrauische und ängstliche Distanz verwandelt und den Verfall des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens mitverursacht.

Wir sind überzeugt, daß der Reformprozeß die Aufdeckung allen bisher begangenen Unrechts dringend braucht, und fordern deshalb:

-sofortige Sicherung und Öffnung der Archive des Staatssicherheitsdienstes unter Kontrolle eines unabhängigen Gremiums

-Aufhebung der genannten Paragraphen

-Freilassung aller politischen Gefangenen

-Überprüfung aller politischen Gerichtsverfahren

-Aufdecken und Öffentlichmachen der psychischen und physischen Methoden der Untersuchungsführung und des Strafvollzugs sowie der Diskriminierung des sozialen Umfelds der Betroffenen

-Öffentliche Rehabilitierungen in Massenmedien und in Veranstaltungen der demokratischen Opposition

-Veröffentlichung der Werke diskriminierter Autoren und Künstler

-Aufhebung der Einreiseverbote für ehemalige DDR-Bürger

Wir begrüßen die Reformbewegung mit dem halb totgetretenen und zum ersten Mal 1980 in Polen rehabilitierten Wort Solidarität.

Berlin-West im November 1989

Für die Initiative: Bernd Markowsky, Udo Preissler, Utz Rachowski, Alex Reitel

Wer sich in die „Liste '89“ eintragen will, schicke bitte eine Mitteilung mit Namen, Angaben über den letzten Wohnsitz in der DDR, unter welchen Paragraphen inhaftiert, wann und wo verurteilt, wann ausgebürgert an: „Liste '89“, PLK 114307 C, 1000 Berlin 62.