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Lieber 15-Mark-Taschen als REPs

■ Trotz Besucherandrang aus dem Osten kriegen die „Republikaner“ auf den belebten Plätzen der Stadt kaum Unterschriften gegen das kommunale Ausländerwahlrecht / Hyde Park Corner am Leopoldplatz: Pluralistisches Revoluzzerchaos

Bewegende Szenen vor Karstadt im Wedding. Die Besucher aus der DDR lernten mit offenem Mund und staunenden Augen, daß jedem politischen Aschermittwoch ein Karneval vorausgeht. Eingeklemmt zwischen friedlichen, erschöpften und konsumhungrigen Revolutionären aus Ost-Berlin und aufrechten Kämpfern der „Revolutionären, internationalistischen Bewegung“, die vor Karstadt am Leopoldplatz eine Kundgebung zur Ehren Stalins abhielten und die Massen an sich vorbeiziehen ließen, bekamen die nationalen Revolutionäre der „Republikaner“ am vergangenen Wochenende kein Bein auf die Erde.

Eindeutiger Gewinner im Wettstreit der Ideologien war der Schreier der freien Marktwirtschaft, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ, in Massen 15 Mark teure Reisetaschen absetzte und immer auf hundert Mark herausgeben konnte.

Der Lauf der Weltgeschichte hat den Versuch der „Republikaner“, die Verhinderung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer zum innerpolitischen Thema Nummer eins zu machen, zunichte gemacht. „Bislang haben wir im Wedding etwa 1.000 Unterschriften gegen das kommunale Wahlrecht gesammelt“, erzählt der Weddinger Kreisvorsitzende und Geschäftsführer der Abgeordnetenhausfraktion, Torsten Thaler, recht kleinlaut. „Die Störungen durch Chaoten haben dazu geführt, daß bis jetzt nicht noch mehr Berliner unterschrieben haben.“ Mehr als fünfzig dürften nach Beobachtung der taz an diesem Samstag nicht hinzugekommen sein. „Ja, heute passiert nicht viel“, räumt Thaler ein. Und das nicht etwa deshalb, weil irgendwelche „Chaoten“ den Stand stürmten und auseinandernahmen, sondern weil die meisten Passanten Wichtigeres zu tun hatten, als die kleinkarierte Deutschtümelei der „Republikaner“ mit einer Unterschrift zu unterstützen.

Bei den „Republikanern“ werden die Gesichter länger, und langsam breitet sich Nervosität aus. Ihre Hoffnung, sie könnten aus der latenten Abneigung vieler Berliner gegenüber dem kommunalen Wahlrecht politisches Kapital schlagen und dem rot-grünen Senat mit Hilfe eines Volksbegehrens ein Bein stellen, erfüllt sich nicht. 80.000 Unterschriften wollten sie bis Weihnachten sammeln, um das Volksbegehren einleiten zu können. Nach drei Aktionswochenenden haben sie wenig mehr als 15.000.

Nicht nur ein Erfolg der Weltgeschichte, sondern auch einer der Aufklärungsarbeit der antifaschistischen Bündnisse, die seit Wochen unermüdlich gegen das Ansinnen der Republikaner mobilisieren. Gemeinsam mit den Beamten der Polizei ziehen sie an diesem Samstag im respektvollen Abstand einen schützenden Halbkreis um den Unterschriftenstand der „Republikaner“. Sie verteilen Flugblätter zum Ausländerwahlrecht und zu El Salvator an die Passanten. Mit geballter Faust in der Tasche beobachten die „Republikaner“ das demokratische Treiben vor ihrem Stand und den reißenden Absatz, den die Flugblätter der Antifas finden.

„Angesichts der vielen Ostbesucher werden sich die Polizei und die REPs heute sicherlich zurückhalten und nicht wieder, wie an den letzten beiden Wochenenden, zuschlagen und Verhaftungen vornehmen.“ Nur vereinzelt treten aufrechte Bürger in das Innere des Ringes, um von ihrem staatsbürgerlichen Recht, mit ihrer Unterschrift gegen das Ausländerwahlrecht zu protestieren, Gebrauch zu machen.

Da die Verhinderung des kommunalen Wahlrechts die Massen bislang nicht mobilisieren konnte, gehen die „Republikaner“ nun zum Nahkampf über. „In den kommenden Wochen werden wir über Hausbesuche und Postwurfsendungen die erforderlichen Unterschriften zusammenbringen“, hofft Torsten Thaler.

Eine gute Gelegenheit für die Alternative Liste und SPD, ihrerseits wieder einmal einen Brief an die Nachbarschaft zu schicken, um über ihr Herzensanliegen - „Wahlrecht für Ausländer“ - zu informieren. Am Samstag hatte die SPD keine Zeit, sich zu diesem Thema zu äußern. In friedlicher Koexistenz stand sie ein paar Meter von den „Republikanern “ entfernt und verteilte viele, viele bunte Luftballons an die Schwestern und Brüdern aus dem Osten.

Nur einmal schien am Leopoldplatz die friedliche Stimmung zu kippen, als der Weddinger Stadtteilaktivist und Mitbegründer des Ausländerprojekts „Putte“ und eines Sozialberatungsladens, Wolfgang M., den „Revolutionären Marxisten“ die mit einer Endloskassette „Deutschland muß sterben“ abnudelten, die Meinung geigte und ihre Stalinverehrung kritisierte. In einem revolutionären Standgericht entlarvten sie ihn als „Faschisten“, „bourgeoisen Imperialisten“, der ebenso den Tod verdiene und wie Deutschland verrecken solle.

Eberhard Seidel-Pielen

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