: Mit neuem Image in die Arme der Union?
„Wir sind nicht mehr zu stoppen, wir sind im Winde des Zeitgeistes.“ Wie immer gibt sich der Bundesvorsitzende der „Republikaner“, Franz Schönhuber, siegessicher. „Wir können uns nurmehr selbst schlagen“, mahnt er seine Anhänger zur Zurückhaltung im innerparteilichen Zwist und bläst gleichzeitig zur „Intellektualisierung“ seiner „neuen Kraft für Deutschland“. „A bisserl gscheiter dürf'mer scho werdn“, verkauft er den Kurs, den ihm Strauß-Berater und Chefideologe des konservativen Studienzentrums Weikersheim, Günter Rohrmoser, vorgegeben hat. „Die entscheidende Schwäche“ der Partei, so Rohrmoser, liege darin, daß sie „nicht im entferntesten eine Theorie“ und auch „kein wirklich attraktives Angebot an Führungspersonal besitzt“. Rohrmoser fordert, die Frage „der nationalen oder multikulturellen Zukunft Deutschlands“ zum Wahlkampfthema Nummer eins zu machen. Damit das mit Niveau geschieht, verlangt er einen Ausgleich des „Intellektualisierungsdefizits“ der REPs.
Seitdem fährt Schönhuber durch die Lande und verkündet, daß es darum gehe, „vorzeigbare Menschen in die Partei zu bringen“. Es gelte, das derzeitige Programm, „das nicht das Gelbe vom Ei ist“, zu modifizieren. Bezeichnete der REP-Chef noch im Mai dieses Jahres die CDU als Partei „der Lüge und Volksverdummung“, verlangt er jetzt von seiner Partei, sie müsse „politikfähig sein für den Fall, daß die Union einen Koalitionspartner sucht“.
Experten in der Programmkommission
Inzwischen ist das neue Parteiprogramm ausformuliert, am 27. November sollen die 70 Seiten in Bonn im Rahmen einer Bundespressekonferenz vorgestellt werden, bevor es schließlich auf dem im Januar 1990 anstehenden Bundesparteitag verabschiedet werden wird. Allzuviel Neues ist jedoch nicht zu erwarten. Harald Neubauer, der bayerische Landesvorsitzende und Schönhuber-Zögling, betont, daß das neue Programm gegenüber dem alten „nur im Duktus modernisiert“ worden sei. Formulierungen wie die Forderung nach „Erhaltung des Bestandes des deutschen Volkes, seiner Gesundheit und seines ökologischen Lebensraums“ sind entfallen und wurden sprachlich bereinigt. Die Bereiche Sozial- und Umweltpolitik wurden ausgeweitet, um eine „gleichmäßigere Gewichtung der einzelnen Schwerpunkte zu erreichen. Zu den Experten, die Schönhuber für das neue Programm angeheuert hatte, gehörten der Erlanger Historiker Helmut Diwald und der ehemalige Kommandant der Nato -Verteidigungsakademie in Rom, General a. D. Franz Uhle -Wettler. Klaus Hartel, ein hoher Beamter beim Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz, zeichnet für die Innen- und Rechtspolitik zuständig, und der Militärhistoriker Gellermann, vormals SPD-Stadtrat in Berlin-Schöneberg, wurde als Experte für Bildungspolitik in die von Franz Schönhuber, Johanna Grund und Emil Schlee geleitete Bundesprogrammkommission berufen.
„Am Kurs der Partei wird sich nichts ändern“, erklärt Harald Neubauer nicht nur zur Beruhigung der eigenen Klientel. Immerhin hatten die REPs es mit ihrer bisherigen Propaganda erfolgreich verstanden, an „politisch tradierten rechten oder rechtsextremen Mentalitätsbeständen, den Sorgen und sozialen Verunsicherungen des 'kleinen Mannes‘ und psychischen Dispositionen allgemeiner sozialer Verunsicherung anzuknüpfen“ (Hajo Funke, Freie Universität Berlin). Zentrales Moment ihrer auch im Programm festgeschriebenen Ideologie ist ein „völkischer“ Nationalismus. Das Verhältnis Bürger und Staat erhält eine neue Grundlage: das Bewußtsein, dem deutschen Volk anzugehören und sich ihm unterzuordnen. „Staatsräson und Gemeinwohl haben Vorrang vor Parteiräson und Gruppeninteressen“, heißt es im alten REP-Programm von 1987. Der Einzelne hat sich dieser „Lebens-, Leistungs- und Wertegemeinschaft zu unterwerfen“. Für sein „loyales“ Verhalten wird er dann vom Staat belohnt, indem der „Staat allen loyalen Bürgern die Grundlagen für persönliche Freiheit, öffentliche Sicherheit und allgemeinen Wohlstand schafft und bewahrt“.
Die „völkische“ Einheit wird hergestellt durch die Unterstellung des Einzelnen unter das Volksganze und die Abgrenzung sowohl von illoyalen Bürgern als auch von allen Nicht-Deutschen. So wird das Ausländerwahlrecht zur „Schicksalsfrage der Nation“ hochstilisiert, „Deutschland muß das Land der Deutschen bleiben. Alle Störfaktoren, die dieses völkische Wir-Gefühl beeinträchtigen könnten, müssen dementsprechend beseitigt werden.“ Aus diesem Grunde fordern die REPs die „Entkriminalisierung der deutschen Geschichte“.
Befreit vom Ruch
des Ewiggestrigen
Diese Ideologie könnte niemals so erfolgreich sein, würde sie nicht an bestehende Bewußtseinsstrukturen anknüpfen, an irrationale Vorstellungen einer quasi natürlichen „völkischen“ Gemeinschaftlichkeit, wonach qua Abstammung alle Deutschen in einem Boot sitzen würden und zusammenhalten müßten gegen die feindliche Welt. Damit korrespondiert ein latentes Bedürfnis nach einer einheitlichen harmonischen Nation. „Alle Arbeitenden, Arbeitssuchenden und Ruheständler sollen an Stelle überholter Klassenkampfpraktiken in sozialem Frieden leben können“ (REP-Programm 1987). Mit ihrer Ideologie gelingt es den REPs, „Ewiggestrige“ zu faszinieren, aber auch Protestpotentiale an sich zu binden, denn dem „völkischen“ Nationalismus ist immer etwas Rebellisches eigen: Freiheit und Gleichheit zu verwirklichen - für die Volksgenossen, versteht sich. Die Kombination von idealisierter Auflehnung (z.B. gegen die etablierten Parteien) und gehorsamer Unterwerfung bildet das Erfolgsrezept der REPs. Funke nennt das „die Mischung von Protest und autoritärer Identifikation“.
Schon das alte Parteiprogramm und insbesondere Aussagen der REP-Führungsriege zeigen, daß die REPs sich zunehmend der Ideologie der sog. „Neuen Rechten“ bedienen. Diese „nationalrevolutionäre“ Richtung hat sich nach dem Scheitern der NPD an der 5-Prozent-Klausel bei den Bundestagswahlen 1969 in nahezu allen rechtsextremen Gruppierungen von der NPD bis hin zur militanten FAP durchgesetzt. Mit Hilfe von Verhaltensforschern, Ethnologen und Anthropologen wird eine Ideologie des „nationalen Sozialismus“, die sich bewußt von der Rechtfertigung des Hitler-Faschismus löst, mit wissenschaftlichen Erkenntnissen untermauert. Befreit vom Ruch des Ewiggestrigen fordern die „Neuen Rechten“ die „geistige und sittliche Erneuerung“, die „nationale Wiedergeburt“ und ein Großeuropa als „Dritten Weg“ zwischen den Supermächten USA und der Sowjetunion. Als Hauptfeind der „europäischen okzidentalen Zivilisation“ haben sie die Gleichmacherei, den „Egalitarismus von Christentum, Liberalismus und Marxismus“ ausgemacht. Für die „Neue Rechte“ rangiert an erster Stelle das biologistisch aus der genetischen Vielfalt abgeleitete „Prinzip der Ungleichheit“. Zweiter Pfeiler ist der sog. Ethnopluralismus. Darunter verstehen sie die Forderung nach einem getrennten Nebeneinander der Völker, um deren Verschiedenheit zu bewahren. Aus einstmals plumper Ausländerfeindlichkeit wird jetzt: „Jedes Volk hat das gleiche Lebensrecht. Die Eigenarten und Unterschiede müssen erhalten bleiben. Die Republikaner wollen kein Europa mit Einheitsmenschen, Einheitssprache und Einheitskultur.“
Die von der „Neuen Rechten“ angestrengte Nationalisierung von gesellschaftlichen Problemen führt der Erlanger Wende -Historiker Diwald gleich in die Präambel des neuen REP -Parteiprogramms ein: „Solange Deutschland nicht wiederhergestellt ist, gibt es in Europa keinen wirklichen Frieden.“ Ohne die Einheit Deutschlands habe Europa schlichtweg „keine Zukunft“. Die REPs nähern sich langsam aber sicher auch der Position eines neutralen Deutschlands an, eine These, die von den Generalen Kießling und Uhle -Wettler schon länger vertreten wird. Als „Etappenziel“ formuliert Diwald das Modell einer „Konföderation“ von BRD und DDR. Endstufe, so Harald Neubauer, werde dann die „Wiedervereinigung unter der Bedingung der Blockfreiheit“ sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen