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Friedhof geschändet

■ Unruhe unter der türkischen Bevölkerung / Zum dritten Mal wurden 1989 Grabsteine umgeschmissen und beschädigt

Bei einem Überfall auf den Türkischen Friedhof am Columbiadamm sind erneut mehrere Grabsteine zerstört worden. Unbekannte Täter stürzten in der Nacht zu Mittwoch 52 Grabsteine um und beschädigten sie.

Dies ist der dritte Überfall in diesem Jahr. Wieder fehlt jegliche Spur von den Tätern und deren Motiven. Nach Angaben der Polizei gab es auf den beschädigten Grabsteinen weder Farbschmierereien noch irgendwelche Slogans.

Der Friedhofsarbeiter Ali Eskin, der den Überfall gestern früh entdeckt hatte, sagte, er sei wie immer gegen neun Uhr zum Friedhof gekommen und habe zunächst eine gegen die Friedhofsmauer gelehnte Leiter entdeckt. Nachdem er den Friedhof betrat, seien ihm die beschädigten Grabsteine aufgefallen, und er habe habe sofort den Muezzin benachrichtigt.

Der Überfall auf den Friedhof löste gestern unter den dort versammelten türkischen Mitbürgern schockartige Reaktionen aus. Viele konnten nicht verstehen, daß man „die Toten nicht in Ruhe lassen will“.

Unterdessen hat der türkische Generalkonsul in Berlin, Akin Emregül, die türkische Bevölkerung aufgefordert, die Ruhe zu bewahren. Emregül, der den Friedhof nach dem Überfall besucht hatte, bezeichnete solche Überfälle als „Provokationen gegen die Gesellschaft“ und bat die türkischen Mitbürger, sich von diesen Provokationen nicht beeinflussen zu lassen.

Der türkische Friedhof nimmt in der Geschichte Berlins einen wichtigen Platz ein. Schon 1798 wurde mit dem ständigen Gesandten des Osmanischen Reiches, Ali Aziz Efendi, der erste Türke dort beerdigt. Sechs Jahre später fand der osmanische Geschäftsträger Mehmet Esad Efendi dort seine letzte Ruhestätte. Im Ersten Weltkrieg wurden dort türkische Soldaten beerdigt, die zur Behandlung nach Berlin kamen und ihren Verletzungen erlagen. In den letzten Jahren wurden auch sehr viele in Berlin lebende Türken dort begraben.

Ayhan Bakirdögen

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