: Ausverkauf im Osten gestoppt?
■ Neue Zollbestimmungen beschränken Ausfuhr von DDR-Waren / Kaufhaus „Centrum“ am Alexanderplatz: Ohne Ausweis gibt es keine Schuhe
Schwund ist immer, mögen jetzt manche Mitarbeiter von Ost -Berliner Warenhäusern denken, nachdem sich gestern die neuen Zoll- und Devisenbestimmungen der DDR zum ersten Mal auswirkten: Hatten in den vergangenen Wochen und Monaten zahllose „Aufkäufer“ vor allem aus dem benachbarten Polen für schnell geleerte Regale und Unmut unter den Ost -Berlinern gesorgt, so sank gestern die Zahl der Einkäufe spürbar. Auch im großen Warenhaus „Centrum“ am Alexanderplatz gingen weniger Waren als üblich über die Ladentische.
Volkswirtschaftlich weniger bedeutend als ein vorübergehender Umsatzschwund ist die Hoffnung der DDR -Regierung, mit neuen Bestimmungen den Ausverkauf subventionierter Waren zu stoppen. „Bitte den Ausweis vorzeigen“ heißt es jetzt bei Einkauf subventionierter Produkte in der DDR. An manchen Kassen wachen Volkspolizisten darüber, daß nicht vorher getrickst wird und ausländische Bürger vor der Kasse noch schnell ihre DDR -Arbeitserlaubnis austauschen. Im „Centrum“ wurden derart Observierte hinauskomplimentiert, bevor sie in der Schuhabteilung zugreifen konnten.
„Wir sind hier die Front“, seufzte Martina Lucas, stellvertretende Leiterin der „Centrum„-Schuhabteilung. „Die räumen normalerweise so ab“, erzählt sie und macht dabei eine weitausholende Handbewegung. Und weiter: „Die tragen die Schuhe körbeweise raus, einfach 15 Paar von einer Größe.“ Sie und ihre Kolleginnen sagen auch, wenn sie mit „die“ meinen, nämlich hauptsächlich Polen, aber auch Amerikaner und Franzosen. Besonders begehrte Einkaufsobjekte seien Kinderkleidung, Kinderschuhe, Lebensmittel, eben staatlich subventionierte und damit sehr billige Waren.
Gestern nachmittag erweiterte Handelsminister Manfred Flegel (NDPD) die Exportverbots-Liste unter anderem auf Ferngläser, Bleikristall, Kfz- und Fahrradersatzteile, Teppiche, Lederwaren, Geflügel. Bereits seit gestern vormittag achteten Grenzer auf Kinderkleidung, Porzellan, Fleischwaren, Filme und Kunstgegenstände, ohne daß an den Grenzübergängen innerhalb Berlins bisher besonders strenge Kontrollen bekannt wurden.
Erste Stimmen von DDR-Bürgern signalisieren Zustimmung für die neuen Beschränkungen, zu denen auch die Ausfuhr von maximal 300 Mark (Ost) gehört, die im Westen aber nicht mehr eingetauscht werden dürfen. Ausgetrocknet werden soll der illegale Polen-Markt auch durch eine weitere behördliche Bestimmung: Auf dem Transit von Polen nach West-Berlin und in die Bundesrepublik darf der Reisezug in Ost-Berlin künftig nicht mehr verlassen werden.
Karsten Peters/ap
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