Grüne Partei versus Grüne Liga in der DDR

Die Gründung einer Grünen Partei in der DDR am Freitag abend stößt auf den offenen Protest der ökologischen Basisgruppen, die sich in der „Grünen Liga“ zusammengeschlossen haben / Atomenergie „vorläufig unverzichtbar“ / Die neue Partei will sich mit anderen Grünen in Ost und West vernetzen  ■  Von Rüdiger Rosenthal

Ost-Berlin (taz) - Freitag abend, kurz vor Beginn des 6.(Ost -)Berliner Ökologie-Seminars. Die „Initiativgruppe zur Gründung einer Grünen Partei“ gibt eine Pressekonferenz. „Die Grüne Partei in der DDR ist ökologisch, feministisch und gewaltfrei“, heißt es im Gründungsaufruf. Aber im Hintergrund wirkten schon die Gegner. „Die Funktionäre fürchten die Konkurrenz“, sagt Mario Hamel.

Gemeint sind die Funktionäre der „Gesllschaft für Natur und Umwelt“ (GNU) beim Kulturbund der DDR - einer staatlichen Organisation mit eigenen Vertretern in der Volkskammer. Die GNU versuchte in den vergangenen Jahren, das wachsende Umweltbewußtsein der Bevölkerung in kontrollierte Bahnen zu lenken, mit Baumpflanzaktionen und Umweltaufklärung. Aber nicht nur von der GNU gibt es Widerstand gegen die „Grüne Partei“. Die sich in einer DDR-weiten „Grünen Liga“ sammelnden ökologischen Basisgruppen sahen sich von der schnellen Gründung am Freitag überrumpelt. Als Gerhard Bächer, einer der Parteigründer, vor etwa 300 zum Ökologieseminar angereisten Umweltschützern aus der gesamten DDR den Satz spricht: „Hiermit ist die Grüne Partei gegründet“, bricht im Publikum der offene Protest aus. Die meisten Versammelten hatten erwartet, daß es erst einmal zu einer Debatte über die besten Organisationsformen kommen würde.

Andere Vertreter von Umweltgruppen bevorzugen eher die Gründung einer DDR-weiten Dachorganisation, ähnlich dem BUND. Das sollte die „Grüne Liga“ werden. In einer Erklärung der „Grünen Liga“ heißt es deshalb: „Die Gründung einer Grünen Partei zum gegenwärtigen Zeitpunkt, noch dazu ohne Konsultation der gesamten grünen Basis des Landes, mit dilletantischer und unausgewogener Programmatik und auf die von den Initiatoren praktizierte unfaire, egoistische Art und Weise spaltet objektiv die grüne Bewegung.“ In der „Grünen Liga“ wollen sich Ökogruppen vernetzen, die bisher unabhängig vor Ort wirkten, zum Teil auch in der GNU des Kulturbundes. Die Initiative für eine „Grüne Partei“ dagegen kam aus Teilen des grünen Netzwerkes „Arche“ in der Evangelischen Kirche der DDR.

Statut und Programm will die „Grüne Partei“ in den kommenden Wochen ausarbeiten. Danach soll formell die Zulassung beantragt werden. Mit den grünen Parteien anderer osteuropäischer Staaten will man sich vernetzen, auch mit den bundesdeutschen Grünen und der Berliner AL wird die Zusammenarbeit gesucht.

„Die Grüne Partei in der DDR wird gegründet, weil es für uns Ökologen notwendig ist, eine eigene politische Kraft in einem zukünftigen demokratischen Parlament zu haben“, sagt Mario Hamel. Zwar hätten auch andere oppositionelle Parteien wie die SDP oder der Demokratische Aufbruch ökologische Themen in ihren Programmen, die aber durch gleichzeitige Orientierung auf die Marktwirtschaft neutralisiert würden. Deshalb müsse der Ausstieg aus der Atomenergie wahrscheinlich gegen diese Parteien durchgesetzt werden. Wegen der Umweltzerstörung durch die Braunkohleverarbeitung sei die Kernenergie jedoch vorläufig unverzichtbar.

Inhaltlich haben die „Grüne Liga“ und die „Grüne Partei“ kaum Differenzen. Ob es allerdings nach der zerstrittenen Gründungsversammlung an diesem Wochenende noch eine sachbezogene Zusammenarbeit geben kann, ist zumindest fraglich.