: Ausstieg auf leisen Sohlen
■ Die Wiederaufarbeitung im Ausland wird eingedampft
Nach der Flucht aus Wackersdorf vollzieht sich jetzt die nächste Stufe des heimlichen und schrittweisen Ausstiegs der bundesdeutschen Atomindustrie aus der Wiederaufarbeitung. Die Stromkonzerne haben sich in aller Stille und nach heftigem Streit auf ein Schrumpfkonzept geeinigt: Die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente im Ausland findet danach zwar noch statt, aber in deutlich reduziertem zeitlichen und mengenmäßigen Umfang. Populistisch formuliert: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Nach monatelangem Gezänk um die Auslandsverträge mit den Plutonium-Supermärkten in La Hague und Sellafield ist nur noch ein Drittel des ursprünglichen Umfangs übriggeblieben. Die Wiederaufarbeitung - jahrzehntelang unter beispiellosem propagandistischem Getöse als unverzichtbares Herzstück der gesicherten Entsorgung verkauft - entpuppt sich allmählich als Marginalie. Damit ist die Bonner Auffanglinie, daß sich am Entsorgungskonzept grundsätzlich nichts ändern wird und Wackersdorf lediglich gegen La Hague und Sellafield ausgetauscht wird, geplatzt wie die berühmte Seifenblase. Das ökonomische Kalkül ist im Zweifelsfall eben doch stärker als die eigene Propaganda.
Könnte sie wie sie wollte, dann würde die Zunft lieber heute als morgen sogar ganz auf die Wiederaufarbeitung verzichten. Doch dies ist derzeit noch unmöglich. Zum einen darf das „Primat der Politik“ nicht völlig desavouiert, muß die Mär von der WAA als Entsorgungsweg (die sie in Wahrheit nie war) aufrechterhalten werden. Zum zweiten schreibt das Atomgesetz gegenwärtig noch die Wiederaufarbeitung vor. Zum dritten braucht man die Vorzeigeanlagen in La Hague und Sellafield, weil im eigenen Land gegenwärtig weder Zwischenlager noch Endlager betriebsbereit sind. So versucht man jetzt als Ausweg mit zeitlich und mengenmäßig befristeten Verträgen die Anbindung an die Wiederaufarbeitung auf ein Minimum zu reduzieren.
Und Töpfer? Der Bonner Umweltminister wird erneut mit weitgehend vollendeten Tatsachen konfrontiert. Wie groß sein Resteinfluß auf die Energiepolitik noch ist, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Töpfer hat immer auf der Wiederaufarbeitung und auf einer direkten bundesdeutschen Beteiligung an den ausländischen Anlagen bestanden. Nun werden die Auslandsverträge eingedämpft und die Beteiligung vielleicht ganz gestrichen. Mal gespannt wie der Bonner Umweltmann diesen heimlichen Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung noch mit seiner hübschen Vokabel vom neuen „europäischen Entsorgungskonzept“ vereinbart. Aber er wirds schon hinbiegen.
Manfred Kriener
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