: DDR läßt freie Verlage zu und übt Buße
■ Kulturminister verspricht Verlegerfreiheiten und Zensur des Zensors / SED rehabilitiert ihre verlorenen Söhne
Berlin (adn/taz) - In Zukunft wird es private Verlage in der DDR geben können. Das versprach der neue Kulturminister Dietmar Keller in einem Gespräch am Mittwoch, an dem unter anderem die AutorInnen Christa Wolf, Stefan Heym und Christoph Hein teilnahmen. Die „Hauptverwaltung Verlage“ des Kulturministeriums, die bislang jeder Publikation ihren Segen geben mußte, wird aufgelöst. Die zentralisierte Kulturarbeit müsse, so der Minister, aufgebrochen werden und ein Rahmen für private und genossenschaftliche Initiativen geschaffen werden.
Eine staatliche Zensur hatte Keller bereits in einem Interview des 'Neuen Deutschlands‘ kategorisch abgelehnt. Die Übermalung der Graffitis an den Ostseite der Mauer sei ein Rückfall „in alte Zeiten“ gewesen, entschuldigte er sich. Christa Wolf forderte im Namen demokratischer Gruppen die Gründung einer „unabhängigen Wochenzeitung für Kultur, Politik, Wirtschaft und Philosophie“, die den Titel 'Die Woche‘ erhalten soll. Seit Mittwoch hat auch die „Kunst- und Antiquitäten GmbH“ ihre Aktivitäten eingestellt, die in den letzten Jahren Kulturgüter aus der DDR an den Westen verscherbelte, um die Devisenkasse aufzubessern. Sämtliche bestehenden Aufträge seien storniert worden, beteuerte Keller.
Neue Rehabilitationen
Robert Havemann und die Journalisten Rudolf Herrnstadt und Lex Ende sollen rehabilitiert werden. Das beschloß die Parteikontrollkommission der SED am Mittwoch. Die Betroffenen seien in den fünfziger und sechziger Jahren wegen falscher Beschuldigungen und angeblich fraktioneller Tätigkeit aus der Partei ausgeschlossen worden.
Der 1982 verstorbene Physiker Robert Havemann war seit 1946 SED-Mitglied und wurde 1964 wegen seiner naturwissenschaftlichen Vorlesungen aus der Partei ausgeschlossen. Rudolf Herrnstadt war zu Zeiten Ulbrichts Chefredakteur des 'Neuen Deutschlands‘. 1953 wurde er überraschend seiner Ämter im Zentralkomitee und im Politbüro enthoben und im Januar 1954 aus der SED verbannt und starb 1966. Lex Ende wurde 1950 wegen angeblicher Verbindungen mit einem US-Spion aus der Partei entlassen und zur Sühne in ein Eisenwerk gesteckt, wo er 1951 an einem Herzschlag starb.
Noch zu seinen Lebzeiten ist der Rechtsanwalt und Mitbegründer des Neuen Forums Rolf Henrich rehabilitiert worden. Im März war er aus der SED ausgeschlossen und mit faktischem Berufsverbot belegt worden, nachdem er sein Buch Der vormundschaftliche Staat im Westen veröffentlicht hatte. Henrich arbeitet seit einigen Tagen wieder in seiner Kanzlei: „Ich bin nicht nachtragend.“
smo
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