: Europart: „Freistellungen“ sind noch (!) keine Kündigungen
■ Konkursverwalter schickt 72 MitarbeiterInnen nach Hause
Rechtzeitig zum ersten Advent hat Konkursverwalter Richard Schulze 72 Europart-MitarbeiterInnen nach Hause geschickt. Es bestehe „keine ausreichende Konkursmasse, um Ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu erfüllen“, heißt es in Schulzes Brief. Er bedauere es deshalb, „Sie zum 1.12. freistellen zu müssen“. Dies bedeute noch keine Kündigung, betont Schulze, die könne aber bald folgen.
Die Nordmende-Nachfolgegesellschaft Europart war vor zweieinhalb Jahren mit Hilfe des Bremer Senats gegründet worden. Die Geschäftsleitung hatte versucht, das Werk als Zulieferbetrieb für Elektronikfirmen in der ganzen Welt weiterzuführen. Im Oktober ließen die Gläubigerbanken den Versuch platzen: Sie sperrten weitere Kredite, weil aus ihrer Sicht zu große Schulden aufgelaufen waren.
Gestern blieben die 72 „Freigestellten“ schon zu Hause, nur noch rund 200 Leute waren im Werk, um die verhandenen Aufträge abzuarbeiten. Schon Ende Oktober, wenige Tage nach Konkurseröffnung hatte Schulze die ersten Frauen „freigestellt“. Die Hoffnung auf einen Unterneh
mer, der die Nordmende Nachfolgegesellschaft kauft, sind indes noch nicht ganz eingeschlafen. Ein Interessent war abgesprungen, nachdem bekannt geworden war, daß der Boden des Sebaldsbrücker Werks mit giftigen Industrieabfällen belastet ist, die nicht in der Nordmende-Vergangenheit dort verbuddelt worden sind, sondern als die Flugzeugbauer von Focke-Wulff dort arbeiteten. Dennoch: „Es sollen noch Gespräche mit potentiellen Käufern geführt werden“, war aus dem Betriebsrat zu hören.
Mit seiner „Freisetzung“ von MitarbeiterInnen bewegt Konkursverwalter Schulze sich auf arbeitsrechtlichem Glatteis. Indem er sich nach der Konkurs eröffnung vom 18.10. entschied, die Firma vorerst weiterzuführen, übernahm er rechtlich auch die Verpflichtungen gegenüber der Belegschaft. Bei Entlassungen hat er also die gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten. Seine „Freistellungen“ kamen aber von heute auf morgen.
Daß Schulze hier zu weit gegangen ist, schwant auch manchen Betriebsräten. Aber unternehmen wollen sie ebensowenig wie die IG Metall.
mw
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