: Deutschlandpolitischer Krach in der Koalition
■ FDP distanziert sich von Kohls Zehn-Punkte-Plan zur Deutschlandpolitik / Eindeutige Anerkennung der polnischen Westgrenze fehlt / Lambsdorff: Die CDU braucht die außenpolitische Leine der FDP / CDU-Generalsekretär Rühe weist Vorwürfe Lambsdorffs zurück
Bonn (afp) - Das Bonner Regierungsbündnis ist ein Jahr vor der Bundestagswahl in Schwierigkeiten geraten. Die Freien Demokraten distanzierten sich auf ihrem „Kleinen Parteitag“ in Celle vom Zehn-Punkte-Plan des Kanzlers zur künftigen deutsch-deutschen Zusammenarbeit. Einhellig lehnten die 125 Delegierten einen Antrag ab, das Konzept Kohls zu unterstützen. FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff warf der CDU vor, in der Vergangenheit Entspannung und Abrüstung verzögert zu haben, und reklamierte Erfolge in der Deutschland- und Außenpolitik für die Liberalen. Lambsdorff versicherte, daß die Freien Demokraten weitgehend mit dem Inhalt des Kanzler-Plans übereinstimmten. Es fehle aber eine eindeutige Anerkennung der polnischen Westgrenze. CDU -Generalsekretär Volker Rühe wies die Vorwürfe als „völlig abwegig“ zurück.
In der Distanzierung zum Zehn-Punkte-Konzept kam bei den Delegierten wie schon im Bundesvorstand deutliche Verärgerung über mangelnde Konsultation und Information sowohl der Verbündeten als auch des Koalitionspartners vor der Vorlage des Kohl-Plans im Bundestag zum Ausdruck. Lambsdorff sagte, eine Politik, die die FDP schon immer vertreten habe, brauche sie nicht ausdrücklich zu unterstützen. „Eine CDU-Alleinregierung hätte uns bis heute bei der Überwindung der Teilung keinen Schritt vorangebracht“, betonte er.
Mit Blick auf die Grenzfrage betonte Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, der in seiner Rede mit keinem Wort auf das deutschlandpolitische Konzept des Kanzlers einging: „Jede Unklarheit in dieser Frage oder gar die Auffassung, diese Frage könne in Zukunft neu gestellt werden, berührt die europäische Stabilität, belastet den Demokratisierungsprozeß in Mittel- und Osteuropa und errichtet Hindernisse für den deutsch-deutschen Annäherungsprozeß.“ Lambsdorff betonte, in der Außenpolitik müsse die FDP bei der CDU auf jeden Schritt aufpassen, selbst bei Besuchsprogrammen, sagte er in spöttischer Anspielung auf Bitburg und das polnische Annaberg. „Wer so tapsig ist, braucht die außenpolitische Leine der FDP.“
Mit großer Mehrheit verabschiedeten die Delegierten einen Leitantrag zur Deutschlandpolitik, in dem die Bereitschaft zur Hilfe für die DDR ohne Vorbedingungen bekräftigt wird. Eingefügt wurde mit Blick auf den Kohl-Plan die Äußerung Genschers vor der UN-Vollversammlung im September: „Das polnische Volk soll wissen, daß sein Recht, in sicheren Grenzen zu leben, von uns Deutschen weder jetzt noch in Zukunft durch Gebietsansprüche in Frage gestellt wird.“ Der Außenminister wandte sich mit Blick auf die DDR energisch dagegen, den Eindruck entstehen zu lassen, als habe die Mauer der Bundesrepublik die nationale Solidarität erspart. Genscher betonte, die DDR-Bevölkerung habe Anspruch auf Hilfe „jetzt und sofort“
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