: „Bitte abtreten!“
■ Demo für die Absetzung des DDR-Generalstaatsanwalts Wendtland wegen Verfahrensverschleppung
Gestern mittag war im Korridor der Humboldtuniversität in Ost-Berlin auf einem Pappschild zu lesen: „Demonstration von Angehörigen der juristischen Fakultät für den Rücktritt von Generalstaatsanwalt Wendtland 15 Uhr vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft.“ Dort sind mehrere hundert Menschen versammelt, die in Sprechchören immer wieder den Rücktritt und andere Konsequenzen fordern. Ein Schild „Wendtland, Du Schalck“. Ohne Lautsprecher kann sich der Generalstaatsanwalt auf der Treppe seiner Behörde kaum verständlich machen, um seinen Juristen-Kollegen und -Studenten Rede und Antwort zu stehen.
Ein Funkwagen der Volkspolizei schiebt sich durch die Menge und soll als provisorische Lautsprecheranlage dienen. Als der Wagen inmitten der Demonstranten vor den Staatsanwälten anhält, reißt ein Spaßvogel die Tür auf und macht eine einladende Bewegung zum Staatsanwalt. „Einsteigen, einsteigen“, ruft die Menge spontan.
Hauptgrund für die Wut und Inhalt der Reden ist die schleppende Arbeit der Staatsanwaltschaft, die ungerührt der Aktenvernichtung zahlreicher Behörden und der Flucht des Devisenschiebers Schalck-Golodkowski ins Ausland zusah: Noch gestern mittag gab es Telefonkontakte zwischen dem gesuchten Schalck und dem Generalstaatsanwalt.
Peter Wilk
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