: Gangsterjagd im rechtsfreien Raum
■ Polizeipräsident Schertz will „Zwischenlösung“, um West-Ost-Ganoven sofort schnappen zu können / Westberlins Randale-Know-how soll nicht weitergegeben werden
Bankräuber zeigen Westberliner Polizisten die lange Nase und flitzen mit geschulter Beute über die Grenze: Dieser Alptraum läßt Polizeipräsident Georg Schertz und den Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus nicht mehr ruhig schlafen, seit West-Berlin zu einer offenen Stadt geworden ist. Um zu verhindern, daß West-Berlin zu einem Eldorado für Ganoven und Tagediebe wird, haben sich die hiesigen Polizeioberen eine trickreiche Regelung ausgedacht, mit dem die „kriminalpolizeiliche Akutlage“ in beiden Hälften der Stadt überbrückt werden kann, bis zwischen der BRD und der DDR ein Rechtshilfeabkommen ratifiziert ist. Die „Zwischenlösung“ soll so aussehen, daß sich die Ost- und Westberliner Strafverfolgungsbehörden in Zukunft gegenseitig mitteilen, wenn ein Straftäter in das jeweils andere Terrain flüchtet. Schertz hoffte gestern, daß eine solche Fluchtmeldung auch ohne den verbotenen Zusatz „nehmt ihn fest“ zur Festnahme führe, weil die andere Seite aufgrund „des Tatbestands als solchen“ dann schon wisse, „was zu geschehen ist“. Wenn der Festgenommene in Polizeigewahrsam sitze, könne über die Generalstaatsanwälte Ost und West in Ruhe ein Amtshilfersuchen in die Wege geleitet werden.
Weil bis zum Zustandekommen des Rechtshilfeabkommens „keine Lücke in der Großstadt“ gelassen werden könne, appellierten der Polizeipräsident und der Landespolizeidirektor gestern an die zuständigen Behörden in Ost und West, der Zwischenlösung zuzustimmen. Als weitere Bestandteile dieser „Vorgriffsregelung“ nannte Schertz gestern vor versammelter Presse die Einrichtung einer Kontaktstelle zwischen Ost- und West-Kripo sowie einen Informationsaustausch über aktuelle Kriminalitätslagen. Ferner wünschte sich der Polizeipräsident eine Regelung über den Austausch von Zeugen, Spuren- und Fahndungsmaterial und betonte, daß die östliche Seite auch Interesse an einem technischen Ausbau der Kommunikationswege zur Westberliner Polizei habe.
Schertz‘ Hauptanliegen ist, „günstige Voraussetzungen“ für die Polizeiarbeit in „Gesamt-Berlin“ zu schaffen. Der Austausch von Wasserwerfern und sonstigen polizeitechnischem Gerät sowie Beratungen, wie ein besetztes Haus am besten geräumt werden könne, gehören allerdings (noch) nicht dazu. „Von einer Entwicklungshilfe mit Wasserwerfern bin ich weit entfernt“, erklärte er auf eine diesbezügliche Frage leicht entrüstet, und: „Ich denke nicht daran, der Volkspolizei Ratschläge zu erteilen.“ Die „Zwischenlösungs„-Wünsche der Polizeioberen wurden gestern von der AL-Abgeordneten Lena Schraut heftig kritisiert: Die Polizei habe gefälligst die Füße still zu halten, bis ein Rechtshilfeabkommen abgeschlossen sei.
plu
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