Fauler Gott gegen Ostfriesen-Alemao

Werder Bremen schlägt den SSC Neapel 5:1, und in Manager Willi Lemke ist etwas explodiert  ■  Aus Bremen Holger Bruns-Kösters

Um einen Spruch ist er nie verlegen, der Willi Lemke, seines Zeichens Werder-Manager aus Passion: Ein „Jahrhundertspiel“ hatte er vorausgesagt und gar prophezeit: „Wenn wir weiterkommen, dann explodiert etwas. Bremen wird brennen.“

Und Werder-Willi hatte Grund zur werbenden Euphorie: Ein leibhaftiger Fußballgott, ein begnadetes Füßchen in harten Stollenschuhen sollte in hansestadtliche Provinz kommen und mit ihm ein ganze Heerschaar Fußballengelein vom italienischen Stiefel: Diego Armando Maradona, Careca, Carnevale... gegen Borowka, Riedle, Otten, Eilts & Co. Oder: Achtelfinale im Europacup, und der SSC Neapel spielt gegen Werder Bremen.

Dem Eilts hatte Ottooo, wie Trainer Rehhagel in Bremen üblicherweise gerufen wird, vor dem Spiel gesagt: „Du bist unser Ostfriesen-Alemao.“ Und auch die Fans hatten ihre Vergleiche: „Wer ist Maradona im Vergleich zu Meier?“ hatten sie auf ein Transparent gedichtet. Diese Frage läßt sich letztendlich nicht beantworten, da Meier wieder einmal mit der Bank vorliebnehmen mußte. Aber: Was ist mit Maradona?, das wüßten wir doch ganz gerne.

Als Werder irgendwann in der zweiten Halbzeit mit 3:1 in Führung lag und kleines dickes Maradona nach noch einem Fehlpaß auf seinem himmlischen Hintern landete, skandierte die Fanmenge blasphemisch: „Diego, Diego, ha, ha, ha.“ Klar hat der Mann mehr Fußballgefühl in seinem kleinen linken Zeh als alle Werder-Kicker zusammen, und es mag ja auch stimmen, daß er auf einem Bierdeckel drei gegnerische Spieler austricksen kann, aber was soll's? Genie ist halt zu 99 Prozent Fleiß und nur zu einem Inspiration. Und Maradonas Stollen verließen im Bremer Weserstadion nur in Ausnahmefällen einmal den Mittelkreis. Klartext: Der Gott ist stinkefaul.

Da hätte er sich doch nur die Bremer angucken müssen: Nur wer rennt und rackert und den Schweiß nicht scheut, kommt in den Himmel, jedenfalls den Fußballhimmel. Und diesem waren die Bremer an diesem kalten, nassen Dezemberabend ziemlich nah. Ab nach vorne, hieß die Devise trotz eines recht beruhigenden 3:2 Sieges in Neapel. Und nach vorne geht es nur, wenn man der gegnerischen Mannschaft hinten den Ball abnimmt. Was erstens wenig Mühe machte und zweitens Riedle, Rufer und Neubarth in die Lage versetzte, die Neapolitaner immer wieder von einer in die nächste Verwirrung zu stürzen.

Und als es dann zur Halbzeit 1:0 stand, da riet Ottooo in der Kabine zu „schachbrettartigen Kombinatskontern“ und erlebte fürderhin seinen „schönsten Abend, seit ich in Bremen bin“.

Und schön war es. So schön, daß die Fans fünf Minuten nach Spielschluß immer noch singend und klatschend auf den Rängen standen und die Werder-Spieler noch einmal, Vorhang auf, aus der Kabine kamen, um sich mit verdienter Ehrenrunde zu verabschieden. 180 Minuten Bremen gegen Neapel. 180 Minuten gehobenes Bundesligamittelmaß gegen italienischen Spitzenfußball. Endergebnis: 8:3.

Und was brennt? Bremen, dem wahren Fußballgott sei Dank, nicht. Nur Werder-Willi. Der gab anschließend zu Protokoll: „Bei mir ist was explodiert.“

BREMEN: Reck - Bratseth (76. Sauer) - Borowka, Otten Bockenfeld (84. Wolter), Votava, Eilts, Neubarth, Hermann Riedle, Rufer

NEAPEL: Giuliani - Baroni (46. Carnevale) - Ferrara, Crippa, Francini - Corradini, Fusi, de Napoli, Maradona - Careca, Zola (59. Renica)

Zuschauer: 38.500

Tore: 1:0 Riedle (25.), 2:0 Rufer (55.), 3:0 Riedle (61.), 3:1 Careca (71.), 4:1 Sauer (89.), 5:1 Eilts (90.)