: Krenz: „Ein Skandal!“
■ Delegierte stellen Egon Krenz in einer Pause zur Rede
Delegierter: Genosse Krenz, ich komme aus Leipzig, dort hat jeder über den Wahlbetrug bei den Kommunalwahlen vom Mai gesprochen...
Krenz: Da stand Aussage gegen Aussage, erst jetzt entschließen sich manche Verantwortliche zu sagen: Bei uns gab es sowas nicht. Aber dort, im anderen Wahlbezirk, gab es sowas...
Delegierter: Genosse Krenz, die Polemik hat schon innerhalb des ersten Vierteljahres stattgefunden, und es ist schlimm, daß du davon nichts erfahren hast. Die Basis hat dich damals nämlich rausgehauen aus der Polemik, weil wir gesagt haben, das kann doch gar nicht sein, daß die das so leicht nehmen, die da oben.
Krenz: Was soll ich denn anderes sagen als: Solche Wahlen wird es nicht mehr geben. Erstens: Niemand hat angezweifelt
-und das ist keine Entschuldigung -, daß ein Gewählter weniger als 50 Prozent bekommen hätte, so daß die Legitimität der örtlichen Verwaltung gegeben ist. Das ist für mich die Hauptsache. Denn wenn wir in dieser Zeit keine Bürgermeister hätten und keine Stadtverwaltung hätten, dann wäre das ein Skandal für die DDR.
Delegierter: Der Vertrauensverlust ist doch gar nicht davon abhängig, ob wir 40 Prozent oder nur ein Prozent betrogen haben...
Krenz: Ich habe keinen Wahlbetrug gemacht...
Delegierter: Das habe ich auch gar nicht gesagt, aber es hat bisher keine intensive Untersuchung gegeben.
Krenz: Hör mal zu, das erste Mal habe ich darüber in der Westpresse gelesen, und das ist für mich nicht seriös.
Delegierter: Sofort haben sich bei uns Genossen an die Zentrale Kontrollkommission gewandt, da mußte wohl jemand das politische Interesse haben... Nach acht Wochen haben wir auf die Beschwerde noch keine Antwort gehabt.
Geschrei von vielen Leuten; Krenz dreht sich ab: Es tut mir leid, da will ich mich nicht einmischen.
Mäuschen:er
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