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Zu Besuch in der Smog-Metropole Leipzig

Frankfurter Delegation mit Bürgermeister Hauff an der Spitze jettet zur sächsischen Partnerstadt / Die geplante City-Rundfahrt mußte wegen dicker Luft abgeblasen werden / Expertentreffen über Bau- und Umweltsanierung vereinbart / Woher kommen die Milliarden?  ■  Aus Frankfurt Reinhard Mohr

Als die Lufthansa-Maschine nach ihrem Kurvenflug von Frankfurt über Prag und Dresden in Leipzig landete, verband sich das übliche kleine Aufatmen mit einer scharfen sinnlichen Wahrnehmung: Smogluft der Alarmstufe 3. Die Delegation der Stadt Frankfurt am Main, an der Spitze Oberbürgermeister Volker Hauff (SPD), war vorgewarnt. Daß Frankfurt im direkten Partnervergleich als Luftkurort reüssieren könnte, überstieg jedoch bislang jede Vorstellungskraft.

Am nächsten Morgen war es schon keine Sensation mehr, daß die geplante Stadtrundfahrt wegen Smog ausfallen mußte. „Da sehen Sie überhaupt nichts“, erklärte der Leipziger Noch -Oberbürgermeister Hädrich (SED) - gleichzeitig Trabis, Hauskamine und Industrieschlote uneingeschränkt weiter Gift und Dreck in die Luft bliesen, als sei gar nichts geschehen. In Zeiten, da die Wirklichkeit sich selbst überholt, kann ein schlichter Dia-Vortrag zur Verkündung der reinen Wahrheit werden. Eine Stunde lang redete der Leipziger Chefarchitekt Dietmar Fischer im „Alten Rathaus“ über Geschichte und Gegenwart der Stadt Leipzig, und keiner der Frankfurter Partei-, Gewerkschafts- und Kirchenvertreter, kein Wirtschaftsmanager oder Stadtrat nickte in dem warmen Halbdunkel ein.

Im Schatten der großen „Montagsdemonstrationen“ verlassen viele Leipziger ihre Stadt. „Wenn sich die Lebensverhältnisse in überschaubarer Zeit nicht sichtbar verbessern, werden weitere 100.000 Bürger Leipzig verlassen“, prophezeite Chefarchitekt Fischer. Und: „Leipzig steht da für die gesamte DDR.“ Schon jetzt fliehen die Einwohner aus der verfallenen Innenstadt, deren Bau- und Wohnsubstanz zu 40 Prozent aus der Zeit zwischen 1870 und 1900 stammt. Groteske, ja kriminelle Vernachlässigung der wunderschönen Gründerzeitbauten hat dazu geführt, daß jetzt viele Gebäude nicht mehr zu retten sind und die Sanierung einer Sisyphus-Arbeit nahekommt.

Es fehlt an Baumaterial, Bautechnik und Ausrüstung, selbst an Fachleuten und Bauarbeitern. „Im Untergrund sieht es noch viel schlimmer aus“, fügt der Stadtarchitekt hinzu, der bereut, daß er erst vor drei Wochen aus der SED ausgetreten ist. „Wahrscheinlich zwei Drittel der Kanalisation sind verrottet, ganz zu schweigen von zerborstenen Gasleitungen und dem maroden Telefonnetz aus den Jahren 1938 bis '40“ so die deprimierende Bilanz.

Die Frankfurter Delegation wollte zu Beginn dieser Woche Kontakte knüpfen, zuhören und Hilfe anbieten. Angesichts des ganzen Ausmaßes der gesellschaftlichen Katastrophe blieb der gute Wille stärker als fundierte Zuversicht. 19 Pfennige pro Quadratmeter City-Boden in Leipzig - da war auch Wirtschaftsdezernent von Schoeler sprachlos, mit dessen Etat ganz Leipzig zu kaufen wäre.

„Großes Erschrecken“ befiel auch den Generaldirektor eines Tiefbaukombinats - „Wir können doch hier ganz offen sprechen?“ - angesichts einer „Brauchbarkeitsrate von 0,15“ seines VEB: „85 Prozent unserer technologischen Kapazität sind tot, verschlissen.“ Nur etwa die Hälfte der zur Erfüllung der zentralen Plankennziffern nötigen Materialien und Rohstoffe, fügte Direktor Daniel vom VEB Metall -Leichtbaukombinat hinzu, würden den Betrieben zugeteilt. „Den Rest müssen wir uns irgendwie selbst besorgen.“

Kein Wunder, daß die SED-Generaldirektoren jetzt auf wirtschaftliche Autonomie gegen die zentrale Planungsbürokratie setzen, auf den Markt und eine realistische Gewinn- und Verlustrechnung, die die Produktivität zum Maßstab macht. Eine neue Energieversorgung des vom mörderischen Braunkohletagebau bedrohten Leipzig müsse her: „Wir können doch nicht zulassen, daß die Menschen hier ersticken.“ Die Vorstandsmitglieder von AEG und Hoechst hörten den Abgesang auf den Staatssozialismus und die Bitte um eine „faire Geschäftsgrundlage“ beim Technologietransfer sehr wohl, allein, es fehlte nicht der Glaube, sondern viel profaner: Geld.

So vereinbarte man Expertengespräche über Bau- und Umweltsanierung für den Beginn des nächsten Jahres in Frankfurt, doch wie die Milliardenbeträge - Joint-ventures hin, Gegengeschäfte her - aufzubringen sind, weiß noch niemand. Die Idee, einen Teil des von Kurt Biedenkopf vorgeschlagenen Lastenausgleichs projektgebunden zu realisieren, den drei Nachfahren der unseligen „IG Farben“ Hoechst, BASF und Bayer (Gewinn 1988: knapp 6 Milliarden D -Mark) - zum Beispiel eine „gesamtdeutsche“ Verantwortung ganz praktisch abzuverlangen, dürfte zwischen Rhein und Ruhr keine große („Wiedervereinigungs„-)Freude auslösen.

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