: Neue Unübersichtlichkeit
■ Heute westliches Ministertreffen für Ost-Hilfe
Brüssel (dpa) - Niemand kann sagen, wie tief der Westen bei seinen Hilfen für die Reformen in Osteuropa in die Tasche greifen muß. Fast jede Woche werden neue Hilfsideen entwickelt und Programme vorgeschlagen. Selbst die Beamten der EG-Kommission, die im Auftrag des Pariser Wirtschaftsgipfels die Hilfen koordinieren, haben Mühe, sich in dem immer dicker werdenden Katalog der Hilfsfonds, Darlehen und Notaktionen zurechtzufinden. Dabei beschränken sich die Hilfen bisher allein auf Polen und Ungarn. Beide Staaten sind bislang die einzigen in Osteuropa, die Schritte zur Umkrempelung ihrer Wirtschaft eingeleitet haben. Heute kommen die Außenminister von 24 westlichen Industriestaaten (darunter USA, EG- und EFTA-Länder, Japan) in Brüssel zusammen, um ein Hilfspaket für Osteuropa zu schnüren. Bisher umfassen die Wirtschaftshilfen für Osteuropa unter anderem folgende Vorhaben:
1) Nahrungsmittelhilfe: Polen erhält aus dem Westen Lebensmittel im Wert von 690 Millionen DM, die zu einem großen Teil schon ausgeliefert wurden. Die EG plant eine weitere Nothilfe, um Polen über den Winter zu helfen. Im Gespräch ist eine Summe von 400 Millionen DM.
2) Budgetmittel: Die USA beschlossen für Polen und Ungarn Hilfen von
1,66 Milliarden DM für drei Jahre. Die EG zahlt 1990 aus ihrem Haushalt für Ausbildungs- oder Umweltprogramme 615 Millionen DM. Die einzelnen EG-Staaten sollen 205 Millionen DM, die übrigen westlichen Länder 615 Millionen DM beisteuern, wobei in allen Fällen noch nicht geklärt ist, ob es sich um Kredite oder Zuschüsse handeln soll.
3) Fonds und Darlehen: Ein Stabilisierungsfonds für Polen soll den Kursverfall des Zloty bremsen. Die Finanzierung (fast zwei Milliarden DM) gilt als gesichert. Für Ungarn ist ein Überbrückungskredit in gleicher Höhe vorgesehen, der das Land mit dringend benötigten Devisen versorgen soll. Die Europäische Investitionsbank stellt für beide Länder Kredite bis zu zwei Milliarden DM auf drei Jahre bereit. Hinzu kommen wahrscheinlich Anleihen von 410 Millionen DM aus Mitteln der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
4) Abkommen: Die EG hat mit Polen und Ungarn umfassende Wirtschaftsabkommen geschlossen, mit der CSSR einen Handelsvertrag für Industriegüter. Mit der UdSSR wird in der nächsten Woche ein Handels- und Kooperationsabkommen unterzeichnet, mit der DDR sollen in Kürze Verhandlungen aufgenommen werden.
5) Handel: Fast alle westlichen Staaten erleichtern polnischen und ungarischen Exporten den Zugang zu ihren Märkten. Die EG schafft eine Reihe von Einfuhrquoten ab. Sie gewährt Polen und Ungarn zudem Zollermäßigungen, die bisher nur für Entwicklungsländer galten.
6) Geplante Entwicklungsbank: Sie soll überall in Mittel und Osteuropa Investitionen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit fördern und finanzieren. Am Kapital sollen auch Länder des Ostens beteiligt werden, die EG will jedoch die Mehrheit halten. Im Gespräch ist ein Volumen von 20 Milliarden DM. Abgesehen von der Nahrungsmittelhilfe sind praktisch noch keine Mittel geflossen. Viele Hilfen laufen erst an, wenn Polen und Ungarn Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) geschlossen haben und die Reformen damit vom IWF abgesegnet sind. Der IWF-Chef Michel Camdessus erklärte am Montag in Warschau, daß man mit Polen vor dem Abschluß der Kreditverhandlungen stehe.
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