Stasi raus - Frauen rein

■ Erfurter „Bürgerkomitee“ macht gegen Stasi mobil / Frauen wollen in Villa des Sicherheitsdienstes

Berlin (taz) - Das Frauenzentrum, von dem Erfurter Frauengruppen schon seit einem Jahr träumen, wird womöglich bald schon eröffnet. Ein passendes Objekt hat sich die „Bürgerinneninitiative“ jedenfalls bereits ausgeguckt: eine hübsche, stadtnah gelegene Villa - allerdings in der Hand der Stasi. Doch nicht mehr lange, wie die Frauen hoffen, die richtig ins Schwärmen geraten bei dem Gedanken an „unser Haus“: Große Räume, Bar und sogar eine Sauna haben sie dort entdeckt, alles nobel eingerichtet bis zum Klopapier“, denn für die Herren von der Staatssicherheit war das Feinste gerade gut genug.

Mitglieder der jüngst mit großem Zulauf gegründeten Erfurter „Bürgerinneninitiative“ waren am 4. Dezember alarmiert worden von den Berichten, daß die Stasi überall im Lande begonnen hatte, Akten und Materialien zur Seite zu schaffen oder gleich zu vernichten. In Erfurt wollten sie dem einen Riegel vorschieben. Montag in aller Frühe stürmten sie das Rathaus und verlangten von den völlig verdatterten Stadträten Amtshilfe. Vor mehreren Stasi-Gebäuden hatten sich inzwischen Hunderte von Personen eingefunden, die lautstark „Stasi raus, Bürger rein“ verlangten. Als der Chef des Stasi-Kreisamtes (jetzt „Amt für Nationale Sicherheit“) nach zwei Stunden entnervt die Türen öffnete, stand ihm die Angst ins Gesicht geschrieben. Die „BürgerInnen“ holten Mann für Mann aus den Büros, friedlich, denn „das waren so Gorillas“, wie Mechthild Ziegenhagen von der „Bürgerinneninitiative berichtet. Der Amtsleiter mußte seine Mitarbeiter in der Kantine zusammenrufen. Derweil konnte das Volk in Ruhe die unheiligen Hallen begehen, die Büros und Archive durchsuchen, einige davon versiegeln lassen.

Die Aktion wiederholte sich so oder ähnlich auch in anderen Häusern der Stasi. Ein „Bürgerkomitee“ wurde gebildet mit der Aufgabe, die Ermittlungen gegen den Staatssicherheitsdienst aufzunehmen. In den verschiedenen Arbeitsgruppen mischen auch die Erfurter Frauen aktiv mit. Denn sie wollen am Ball sein, wenn die Stasi aufgelöst wird: „Da geht es auch um Geld und Räume.“

Der Rat der Stadt stattete inzwischen die Mitglieder des „Bürgerkomitees“ mit kleinen Ausweisen aus, die ihnen freien Zugang zu allen Stasi-Gebäuden verschaffen sollen. Und so stieß die „Bürgerinneninitiative“ auf ihre Villa. Der Antrag auf Nutzung wurde dem Rat bereits zugestellt. Und wenn nicht bald eine positive Antwort erfolgt, dann wird eben besetzt. Übrigens: Ganz konnten die Aufräumungsarbeiten der Stasi auch in Erfurt nicht unterbunden werden. Noch am 4.Dezember meldete das Bezirkshygieneamt erhöhte Anteile im Smog, wie sie beim Verbrennen von Plastikmaterial wie Mikrofilmen, Tonbändern u.ä. entstehen. Schon in der Woche davor hatten sie die Stadt darüber informiert. Da hatte aber noch niemand reagiert.

Ulrike Helwerth