: „Boat-people“ werden deportiert
Unter Zwang bringt die britische Regierung vietnamesische Flüchtlinge in ihre Heimat zurück ■ Von Ralf Sotscheck
London (taz) - Auf heftigen Protest ist die Entscheidung der britischen Regierung Margaret Thatchers gestoßen, mit der zwangsweisen Rückführung von „Boat-people“ aus der britischen Kronkolonie Hongkong nach Vietnam zu beginnen. Im Schutze der Dunkelheit hatten gestern früh um drei Uhr Ortszeit Polizisten acht Männer, 17 Frauen und 26 Kinder aus dem Hochsicherheitsgefängnis Phoenix House geholt. Die VietnamesInnen wurden in Gefangenentransportern zum Kai-Tak -Flughafen gebracht und mit einer Chartermaschine nach Hanoi geflogen. Der britische Oppositionsführer, Labourchef Neil Kinnock, bezeichnete die Entscheidung als „tyrannisch“. Der Vorsitzende des britischen Flüchtlingsrates Davis verglich das Vorgehen mit der Praxis „der Nazis, Kommunisten und Südafrikas“. US-Außenminister Baker und sein kanadischer Kollege Clark äußerten sich befremdet darüber, daß die britische Regierung nicht wenigstens bis zum Zusammentreten des Lenkungsausschusses der Internationalen Konferenz über Indochinaflüchtlinge im Januar in Genf gewartet hat.
Augenzeugen berichteten, daß sich die vietnamesischen „Boat -people“ bei ihrem Abtransport an die Gefängnisgitter klammerten und um Hilfe riefen. Einige entrollten Transparente mit der Aufschrift: „Wo ist eure Menschlichkeit?“ Eine Vietnamesin schrie: „Ich will nicht zurück nach Vietnam.“ Eine Regierungssprecherin in Hongkong sagte dagegen: „Es ist alles glattgegangen. Der erste Teil der Repatriierung hat stattgefunden.“
Großbritannien hatte vor Beginn der Aktion eine Nachrichtensperre verhängt und versucht, sie bis zur letzten Minute geheimzuhalten. Noch in der vergangenen Woche hatte Mike Hanson, zuständig für die Koordination der „obligatorischen Rückführung“, behauptet, daß man noch längst nicht auf die Transporte vorbereitet sei. Vietnams Außenminister Nguyen Co Thach bestätigte jedoch am Montag, daß es ein Abkommen mit London über die Deportationen gibt. Großbritannien zahlt ein „Kopfgeld“ in unbekannter Höhe für jeden „rückgeführten“ Flüchtling. Co Thach fügte allerdings hinzu, daß keine Menschen aufgenommen würden, die unter Gewaltanwendung zur Rückkehr gezwungen würden.
Von den 43.000 VietnamesInnen in Hongkong, die als „Wirtschaftsflüchtlinge“ eingestuft sind und ausgewiesen werden sollen, haben sich aber nur 631 zur freiwilligen Rückkehr entschlossen - obwohl die Boat-people unter unmenschlichen Bedingungen in Internierungslagern zusammengepfercht sind, wo Cholera und Ruhr herrschen. Die britische Regierung erwartet mit dem Ende der Taifunsaison im Februar eine neue Flüchtlingswelle aus Vietnam. Die Deportationen sollen daher offenbar auch als Abschreckungsmaßnahme dienen. Amnesty international hatte noch vorgestern einen Appell an den britischen Gouverneur von Hongkong und an Thatcher gerichtet, die Aktion zu stoppen.
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