Hilfe für den Osten: Beschlüsse kommen später

24 westliche Geberländer demonstrieren in Brüssel nur Hilfsbereitschaft  ■  Aus Brüssel Michael Bullard

Im herrschaftlichen Egmond-Palast im Herzen Brüssels drängelten sich am Mittwoch die Außenminister der „Gruppe der 24“ um ihre Kollegen aus Polen und Ungarn, Krzysztof Skubiszewski und Gyula Horn. Der Sitz des belgischen Außenministeriums diente als Kulisse für eine politische Demonstration besonderer Art: 24 westliche Staaten - neben den EG-Mitgliedern die anderen westeuropäischen Länder der EFTA, die Türkei, die USA, Kanada, Australien und Japan haben sich beim letzten Wirtschaftsgipfel im Juli 1989 in Paris zusammengeschlossen, um Hilfe für Polen und Ungarn zu koordinieren. Gestern fand nun das erste Treffen der 24 westlichen Staaten auf Ministerebene statt, allerdings nicht, um dringend notwendige Beschlüsse zu fassen, sondern um Hilfsbereitschaft zu demonstrieren.

Bundesaußenminister Genscher verkündete am Mittwoch, daß der Reformprozeß in Mittel- und Osteuropa auch im Interesse des Westens sei und deshalb langfristig unterstützt werden müsse. Wie diese Hilfe aussieht, hatte der Präsident der EG -Kommission, Jacques Delors, schon wenige Tage zuvor beschrieben: „Inzwischen wurden bereits Nahrungsmittelhilfen, Investitionshilfen, Ausbildungshilfen und Maßnahmen zur Erhaltung der Umwelt beschlossen. Ferner wurde die Einrichtung eines Stabilisierungsfonds für Polen in Höhe von rund zwei Milliarden D-Mark und eines Überbrückungsdarlehens für Ungarn in der gleichen Größenordnung beschlossen. Für Ungarn und Polen hängt allerdings alles von einem ersten Abkommen mit dem IWF ab. Wichtig ist also, daß der IWF rasch handelt. Er wird um so rascher handeln, je mehr die beiden Länder dazu bereit sind, die IWF-Bedingungen umzusetzen.“

Der Außenminister Ungarns erklärte seinerseits, sein Land möchte Mitglied der Europäischen Gemeinschaft werden und führe deshalb die entsprechenden Auflagen durch, selbst wenn es zu anfänglichen Konflikten komme.

Abgesehen von der ersten Tranche Lebensmittelhilfe, die bereits geliefert wird, läßt man sich mit der Vergabe der beschlossenen Kredite Zeit. Dasselbe gilt für die Einrichtung einer Ost-West-finanzierten Entwicklungsbank und einer Europäischen Stiftung. Letztere soll die Ausbildung von Managern aus den betroffenen Ländern übernehmen. Allerdings sind die Regierungen von Großbritannien und den Niederlanden gegen die Einrichtung einer neuen Finanz -Institution der EG. Deswegen muß jetzt erst einmal die Kommission einen Kompromißvorschlag ausarbeiten. Beschlüsse werden dann zu einem späteren Zeitpunkt gefaßt.

Hinderlich ist auch, daß die 24 Regierungschefs beim Pariser Wirtschaftsgipfel im Juli der EG-Kommission nur ein Mandat für die Koordination ihrer Hilfe für Polen und Ungarn gegeben hatte. Beschlüsse über die Ausweitung des Mandats der EG-Kommission auf andere Länder in Mittel- und Osteuropa wie der DDR, der Tschechoslowakei, Bulgarien und der Sowjetunion waren deshalb für Mittwoch gar nicht eingeplant.

Allerdings forderte Genscher die Gruppe der 24 auf, den Empfängerkreis der 24 auszuweiten. Außerdem will er die EG -Handelsabkommen mit den RGW-Staaten in Assoziierungsabkommen umgewandelt wissen.