: Bonn duldete Giftgasproduktion
Auswärtiges Amt bestätigt Kenntnis über Beteiligung des staatlichen Salzgitter-Konzerns am Bau der libyschen Giftgasanlage / Schäuble muß im Januar erneut berichten / Die Giftgasproduktion in Rabta läuft ■ Von Petra Bornhöft
Berlin (taz) - Sind die Beamten des Bonner Auswärtigen Amtes (AA) gefährliche Schlafmützen, oder haben sie bewußt dem bundeseigenen Salzgitter-Konzern das Geschäft mit der Giftgasproduktion in Libyen nicht vermasseln wollen? Diese Fragen stellen sich nach der gestrigen Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses in Bonn. Obwohl Genschers Staatssekretär Schäfer heftigst mauerte, mußte er zugeben, daß die Bundesregierung seit 1985, also vier Jahre vor Inbetriebnahme der Giftgasanlage im libyschen Rabta, Hinweise auf das Projekt und die Beteiligung von Salzgitter hatte. Mehr noch: Die ministeriellen Friedenstauben wissen, daß jetzt in Rabta das Giftgas Lost produziert wird und „daß Libyen über entsprechende Munition (Granaten) zur Abfüllung des produzierten Giftgases verfügt“. Das berichteten die Grünen nach der Ausschußsitzung.
Ob dieses Wissen bei irgendeinem Beamten oder Minister mehr als ein gelangweiltes Kratzen am Hinterkopf ausgelöst hat, darüber soll Innenminister Schäuble im Januar einen Bericht vorlegen. Dieses Papier soll den vor einem Jahr erstellten Bericht „ergänzen, fortschreiben und gegebenenfalls korrigieren“, so der Ausschußvorsitzende Stercken (CDU). Zu „korrigieren“ ist nach Ansicht der Grünen insbesondere die mutmaßliche Vertuschung jener dubiosen Vorgänge im Auswärtigen Amt im Sommer 1985.
Damals hatte die bundesdeutsche Botschaft in Moskau - nach Gesprächen mit einem Salzgitter-Vertreter - ein Telex ans AA geschickt: mit präzisen Hinweisen auf die von der Imhausen -Chemie und Salzgitter geplante Giftgasanlage. Das AA fragte weder in Moskau nach, noch informierte es das Bundesfinanzministerium, die Dienstaufsicht des Salzgitter -Konzerns. Das brisante Telex scheint im Bermudadreieck zwischen Wirtschaftsministerium und BND verschwunden zu sein. Im Auswärtigen Amt jedenfalls, so Schäfer, habe man sich erst wieder daran erinnert, als jener Moskauer Botschaftsrat - inzwischen in Afrika tätig - bei einem Aufenthalt in der Bundesrepublik im Januar 1989 im AA vorbeischaute. Der sah die Bürokraten über Schäubles Bericht brüten. Und da muß es über ihn gekommen sein: „Da war mal so ein Telegramm“, flüsterte er den Schreibern zu. Der Text tauchte in Schäubles Bericht auf - allerdings, den Grünen zufolge, in verfälschter Form. Erst jetzt, als das Ausland und die westdeutschen Medien Zug um Zug das tödliche Geschäft enthüllten, schickte das AA den Botschaftsrat zum Staatsanwalt. Salzgitters Blaupausen waren längst geliefert.
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