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Chiles Opposition besiegt Pinochet

Patricio Aylwin, Kandidat der gesamten Opposition, erhält 54 Prozent  ■  Aus Santiago Gaby Weber

Patricio Aylwin, der gemeinsame Kandidat der chilenischen Opposition, hat gesiegt. Wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale wurde am Donnerstag abend das (vorläufige) Ergebnis der Präsidentschaftswahlen bekanntgegeben: Auf Aylwin entfielen 53,9 Prozent, auf den Mann der Militärs Hernan Büchi 28,6 Prozent und auf den rechten Unternehmer Francisco Errazuriz 15 Prozent. Nach 16 Jahren Militärdiktatur wird am 11.März der Christdemokrat Aylwin die Regierung übernehmen. Noch in derselben Nacht erkannte Innenminister Caceres in einer Fernsehansprache die Niederlage an und verkündete den geordneten Rückzug: „Die Mission ist erfüllt.“

Die Innenstadt war Donnerstag abend regelrecht belagert. Noch einmal sollte Stärke demonstriert werden, Freudenausbrüche über das Ende der Diktatur wollte man verhindern. Vor den Regierungsgebäuden Moneda und Diego Portales patrouillierten schwerbewaffnete Uniformierte. Omnibusse wurden umgeleitet und nur akkreditierte Journalisten durchgelassen. Die Jubelfeiern waren sehr begrenzt: Vor dem Sitz der Opposition im Czempinski an der Alameda-Straße versammelten sich ab 20 Uhr spontan etwa 500 Menschen. Sie sangen die chilenische Nationalhymne, riefen nach dem Wahlsieger, aber auch immer wieder Parolen wie: „Venceremos“ (Wir werden siegen) und: „Ein geeintes Volk wird niemals besiegt.“ Die für 22 Uhr geplante Ansprache des gewählten Präsidenten mußte um fast drei Stunden verschoben werden, bis sich ein paar tausend eingefunden hatten. „Ich werde der Präsident aller Chilenen sein“, versprach Aylwin, lobte unter einem Pfeifkonzert die Besonnenheit von Streitkräften und Militär, versprach die „nationale Aussöhnung“ und bat die Versammelten, sofort und ruhig nach Hause zu gehen.

Bereits Stunden bevor am Donnerstag morgen die Wahllokale geöffnet wurden, war Santiago, die Hauptstadt, geputzt: Alle Parolen waren in der Nacht zuvor überpinselt, Spruchbänder entfernt und Plakate abgerissen worden. Aus Autos flogen keine Flugblätter mehr, keine Lautsprecher plärrten die Namen der Kandidaten. Allseits wurde das Gesetz befolgt, wonach 48 Stunden vor dem Urnengang die politische Propaganda eingestellt werden muß. Alkohol wurde nicht ausgeschenkt, Kneipen, Geschäfte und Supermärkte blieben geschlossen. Nur die Obststände und Kioske waren offen, und die Busfahrer hielten stolz ihren rechten Daumen hoch. Sie hatten schon in den frühen Morgenstunden ihr Kreuzchen gemalt und ihren Finger auf ein Stempelkissen mit grüner, nicht abwaschbarer Tinte gedrückt. Der Straßenverkehr war eingeschränkt worden, um den 7,5 Millionen Wählern den Gang zu den Urnen zu erleichtern. Gewählt wurden nach 19 Jahren wieder ein Präsident, 38 Senatoren Fortsetzung auf Seite 2

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und 120 Abgeordnete. Politiker und Militärs lobten die Ruhe: „Die Chilenen sind ein zivilisiertes Volk mit weißer Hautfarbe“, so der Juntachef Merino im Fernsehen. Und Pinochet steckte - in Zivil und lächelnd - vor den laufenden Kameras der zahlreichen in- und ausländischen Journalisten seinen Stimmzettel in die Urne. Nur am Nachmittag war es in einer Poblacion am Stadtrand Santiagos zu einem Zwischenfall

gekommen. Aus unmittelbarer Nähe waren auf einen Carabinero in einem Wahllokal vier Schüsse abgegeben worden. Bei dem Täter soll es sich um einen Drogenabhängigen handeln.

Während die Zusammensetzung des neuen Kongresses erst am Freitag bekanntgegeben wird, stand der Präsident schon am Donnerstag abend fest: Patricio Aylwin, der Kandidat der Opposition.

Die Bundesregierung und die SPD-Opposition haben am Freitag dem Sieger der Präsidentschaftswahl in Chile, Patricio Aylwin, Glückwün

sche übermittelt und ihre Unterstützung für die vor ihm liegenden Aufgaben zugesichert. Bundeskanzler Helmut Kohl würdigte in einem Telegramm an den Christdemokraten Aylwin dessen Wahlerfolg als „Ergebnis des Mutes und der Beharrlichkeit, mit der Sie dem chilenischen Volk den Weg zu Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat, Achtung der Menschenrechte und sozialer Gerechtigkeit gewiesen haben“. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher äußerte sich in seiner Glückwunschbotschaft überzeugt, daß das chilenische Volk mit dieser

Wahl zu seinen demokratischen Traditionen zurückgekehrt sei. SPD-Partei- und Fraktionschef Hans-Jochen Vogel schrieb, der Sieg der Demokratie in Chile beruhe auf der Einigung der 17 bisherigen Oppositionsparteien. Kohl wünschte Aylwin für die vor ihm liegenden „schweren und umfangreichen Aufgaben Kraft und Gottes Segen“. Die Bundesregierung werde ihn dabei „nach Kräften unterstützen“ und mit seiner Regierung eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Zur Amtseinführung Aylwins will Kohl nach Santiago reisen.

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