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Alles reine Gewöhnungssache

■ Hertha BSC - Stuttgarter Kickers 0:0: Ein ernsthaft-langweiliges Spiel / Der Weihnachtswunsch von Schwabentrainer Krafft: Leidensfähige Fans / Hertha BSC hat die Tabellenspitze mal wieder verfehlt

Vier Wochen lang quälte es viele Fußballfans, daß als Folge des schlechten Wetters im Olympiastadion nicht gebolzt werden durfte. Am Sonnabend wären die meisten der 12.437 Zuschauer wohl froh gewesen, wenn sich der nebelige Dunst über dem Stadion auf das Spielfeld gesenkt und das sogenannte Spitzenspiel der zweiten Liage zwischen Hertha BSC und den Kickers aus Stuttgart vor ihnen versteckt hätte. Zweiter gegen den Dritten - das erlaubte doch zumindest die Hoffnung auf ein wenig angenehme Unterhaltung, doch beide Mannschaften wollten zu diesem kleinen Vergnügen aber auch gar nichts beisteuern. Die einen in böser Absicht, die anderen aus Unfähigkeit.

90 Minuten frieren, mit den Zähnen klappern und in Apathie versinken, selbst die sonst wärmende Aufregung über von der Hertha auf gruselige Weise dutzendfach vergebenen Torchancen fiel aus. Erst nach dem Schlußpfiff kam dieselbe gemischt mit Frohsinn auf, als der Stuttgarter Fußball-Lehrer Manfred Krafft in der Pressekonferenz das Schwätzen nicht lassen konnte und Weisheiten vom harten Alltag dieses Spiels dozierte. Ein gutes Spiel sei es gewesen, sprach er und lieferte gleich die Begründung seiner erstaunlichen Analyse: „Für die Fans nicht interessant, aber für die Mannschaft erfolgreich, daran müssen sich die Zuschauer gewöhnen.„ Realo Manni Krafft beschwor die so gemeine Alltäglichkeit des Lebens, wo auf dem Weg nach oben zum Erfolg nicht alles immer mit Spaß, sondern solch ernsthafte Angelegenheiten eher mit langer Weile anzupacken sind. Mit genau dieser Einstellung hatte er seine Jungs auf den Platz geschickt. Hinten reinstellen und abwarten. Nur einmal schlief die Berliner Abwehr so zwingend, daß den Kickers gar keine andere Wahl blieb, als aufs Tor zu schießen, was vom Publikum mit anerkennendem Raunen bedacht wurde.

Gegen diesen Ernst des Lebens konnten auch die Herthaner nicht anwurschteln, zumal Regisseur Patzke nicht gerade seinen allerbesten Tag erwischt hatte. So sprangen nur wenige Möglichkeiten für einen Sieg heraus, doch Gries, Klaus und Halvorsen verpaßten ganz knapp die Möglichkeit, die Erfolgsideologie der Gäste zu widerlegen. Ebenso verpaßten die Berliner den Hüpfer an die Tabellenspitze. Allerdings zeigte diese Begegnung auch, daß den Herthanern die Luft dort oben immer noch zu dünn ist; in den entscheidenden Spielen gegen die anderen Mitbewerber um den Aufstieg hatten sie bisher zu viel Muffen, wohl auch vor den eigenen Möglichkeiten und zeigten gute Leistungen nur gegen schwächere Teams. Ob es denn wirklich schon für unterhaltenderen Erstligafußball reicht, wird im Februar zu sehen sein, wenn Bayern München zum Freundschaftsspiel aufkreuzt.

Schmiernick

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