Frauenpolitik in der SED war völlig verfehlt

Eine Initiatorin der neuen „Frauenarbeitsgemeinschaft“  ■ I N T E R V I E W

taz: Eure Initiative will in der Partei „eine Atmosphäre schaffen, die die umfassende demokratische Mitentscheidung von Frauen ermöglicht“. Was heißt das?

Renate Michalik: Innerhalb der Partei muß erst einmal klar werden, daß die bisherige Frauenpolitik völlig verfehlt war, weil sie auf eine Vereinbarkeitsideologie setzte; der Frau sämtliche Verantwortung zuschanzte für Familie, Kinder und gleichzeitig Berufstätigkeit verlangte. Das darf im Programm einer modernen sozialistischen Partei nicht stehen.

Ihr fordert die Qotierung.

Wir fordern die Parität innerhalb der gesellschaftlichen Institutionen und der Wirtschaft. In der Partei verlangen wir 40% aller Funktionen, bis zum nächsten Parteitag aber mindestens eine Beteiligung entsprechend dem Mitgliedsanteil von 37% Frauen.

Wie wollt Ihr eure Forderungen durchsetzen? In der gewendeten SED sind weniger Frauen denn je an der Spitze, und ihr Anteil an den Delegierten auf dem Parteitag ist zurückgegangen.

Anders als im bisherigen Politbüro sitzt im jetzigen Präsidium zumindest eine Frau als Vollmitglied. Allerdings sind im Parteivorstand insgesamt nur 15% Frauen. Das ist ein Rückschritt und macht die desolate Lage deutlich.

Im Diskussionsentwurf für ein neues Parteiprogramm gibt es nur eine sehr schwammige Passage zur Gleichstellung der Frau.

Entscheidend wird sein, wie stark wir zum nächsten Parteitag Frauen delegieren können. Nun darf man aber nicht erwarten, daß wir Frauen schon ein Programm parat haben. Hier muß sich die neugegründete Parteikommission Frauen- und Jugendpolitik ganz stark einbringen.

Mit welchen Zielvorgaben?

Kurzfristig müssen wir auf jeden Fall sicherstellen, daß bei der anstehenden Wirtschaftsreform die Frauen nicht an den Rand gedrängt werden. Denn sie sind diejenigen, die in der Industrie an den nichtautomatisierten Plätzen sitzen, in der Verwaltung und in den Dienstleistungenbetrieben dort arbeiten, wo Personal abgebaut wird. Sie werden als erste auf der Straße liegen. Daher muß man ihr grundsätzliches Recht auf Arbeit sichern. Wenn jetzt Subventionen wegfallen, Preise und Tarife steigen, soziale Leistungen gestrichen werden, müssen die Niedriglohngruppen einen Zuschuß bekommen. Es geht nicht an, daß eine Rentnerin, eine Trümmerfrau, auf deren Rücken sich diese Gesellschaft errichtete, noch weniger zum Leben hat als bisher, wenn jetzt zum Beispiel die Mieten steigen. Oder die alleinerziehenden Frauen. Die Erziehungsarbeit muß neu bewertet und mit anderer gesellschaftlicher Arbeit gleichgestellt werden.

Interview: Ulrike Helwerth