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Sonderparteitag der KPTsch ohne Fahrplan

Schicksal des neuen Generalsekretärs Urbanek ungewiß / Die Basis will endlich Klarschiff / Einheitsbeschwörungen überwiegen Kritikbereitschaft / Zur Debatte steht das Aktionsprogramm der Partei: Wenig Vergangenheitsbewältigung, viele liberale Töne  ■  Aus Prag Katerina Wolf

Zwei Tage vor dem heute beginnenden außerordentlichen Parteitag der KPTsch überraschte das Präsidium des ZK Öffentlichkeit und Parteibasis mit dem Vorschlag, den neuen Generalsekretär direkt von den Delegierten wählen zu lassen. Noch vor zwei Tagen hatte sich das Präsidium sogar gegen eine Direktwahl der Delegierten in den Grundorganisationen ausgesprochen. Die Forderung nach einem demokratischeren Modus für die Wahl des Generalsekretärs war nicht einmal von radikalen Parteireformern im „Demokratischen Forum der Kommunisten“ (DFK) erhoben worden.

Völlig im dunkeln liegt das weitere Schicksal des amtierenden Generalsekretärs Urbanek. Doch rechnen in Prag viele damit, daß er den Parteitag als Spitzenmann nicht überstehen wird. Auch für das DFK wäre die Wiederwahl Urbaneks ein Zeichen dafür, daß die Partei weiterhin von alten Beziehungen und altem Denken bestimmt wird. Verfolgt man die täglichen Diskussionsbeiträge in der Parteizeitung 'Rude Pravo‘, wird eins deutlich: Die Stimmung gegen den langjährigen Brunner Funktionär ist mit dem Wunsch verbunden, „endlich aufzuräumen“. „Ehrliche“ Kommunisten schieben die Schuld für die „Krise der KP“ der „Parteimafia“ in die Schuhe, nur selten klingen selbstkritische Töne an. Fast verzweifelt klagt man ein, nicht alles, was in den vergangenen 40 Jahren „geleistet“ worden ist, könne falsch gewesen sein.

Wie sehr an der Parteibasis jedoch weiterhin auf Befehle „von oben“ gewartet wird, machen die Reaktionen auf das Aktionsprogramm der KP der Tschechoslowakei deutlich. Diskutiert wird nicht über seinen Inhalt, sondern seine Länge. Gefordert werden knappe, zur Agitation brauchbare Leitlinien, mit denen der fürs nächste Frühjahr erwartete Wahlkampf bestritten werden kann. Die Aussagen zu Kultur und Sozialpolitik könnten in ihrer Allgemeinheit auch von Mitgliedern des Bürgerforums unterzeichnet werden.

Die Kommunistische Partei tritt für einen demokratischen Rechtsstaat ein und erwartet für die Zukunft Mischformen gesellschaftlichen und individuellen Eigentums. Fast nichts trägt das Aktionsprogramm zur Analyse des „administrativen, bürokratischen Konzepts des Sozialismus“ bei. Auch hier wird die Verantwortung in erster Linie bei der alten Parteiführung gesucht, der es nicht gelungen sei, den mit schönen Worten beschriebenen „Umbau“ in die Tat umzusetzen. Anstatt auf die Phase der „Normalisierung“ nach 1969 näher einzugehen, findet sich der Hinweis auf die „demokratischen Traditionen“ der Jahre 1948 und '68. Trotz oder gerade wegen der innerparteilichen Differenzen beschwören in diesen Tagen die meisten Kommunisten mehr die „Einheit“ der Partei denn die überfällige Kritik.

Eine der Forderungen der „demokratischen Kommunisten“ dürfte besonders dem Parteiapparat schlaflose Nächte bereiten. Verlangt wird die vollständige Auflösung und der anschließend auf 40 Prozent des bisherigen Umfangs begrenzte Neuaufbau der Verwaltung. Da auch das Präsidium eine deutliche Verringerung des Apparates anstrebt und das baldige Ende der hauptamtlichen Komitees auf Kreisebene bereits beschlossene Sache zu sein scheint, haben viele Funktionäre mit der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz begonnen.

Die KP der Tschechoslowakei steht vor einer ungewissen Zukunft. Selbst wenige Stunden vor Beginn des außerordentlichen Parteitags waren sein Ablauf und Programm noch unbekannt. Sicher ist nur, daß über das Aktionsprogramm sowie strukturelle Reformen der Parteiorganisation diskutiert werden soll. Als Favorit für das Amt des Generalsekretärs gilt Vasil Mohorita, der als Vertreter der KP am „runden Tisch“ mit dem Bürgerforum verhandelte. Er könnte noch einmal das Vertrauen in die Partei, das nach Meinungsumfragen landesweit bei 13 Prozent liegt, um einige Punkte anheben.

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