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Öko-Sonderangebot: Vier AKWs für DDR

Brisante Pläne von bundesdeutschen Energiekonzernen bekanntgeworden / PreussenElektra gibt „keinen Kommentar“, Bayernwerk dementiert vieldeutig / Neues Forum: „Fatale Energiesituation der DDR soll von bundesdeutschen Konzernen ausgenutzt werden“  ■  Von Manfred Kriener

Berlin (taz) - Die bundesdeutschen Energiekonzerne PreussenElektra und Bayernwerk planen den Bau von vier großen Atomkraftwerksblöcken in der DDR. Die 'Welt‘ machte am Dienstag Details des anvisierten deutsch-deutschen Atomgeschäfts bekannt. Danach strebt die bundesdeutsche Seite an, daß die Beton- und Stahlbauteile für die 1.300 -Megawatt-Kraftwerke von der DDR errichtet werden, während Siemens (KWU) den Nuklearteil liefern soll. Zur Finanzierung will man der DDR ein Sonderangebot unterbreiten: Der Kraftwerksbau könne demnach durch den 50prozentigen Export der erzeugten Strommengen in die Bundesrepublik bezahlt werden. Nach einer angenommenen Bauzeit von drei bis vier Jahren wäre dann, so die Überlegungen der Branche, auch in der Bundesrepublik wieder ein stärkerer Strombedarf vorhanden, um den in der DDR erzeugten Strom abzunehmen.

Ungläubiges Kopfschütteln, Empörung und scharfe Kritik hat das geplante Atomgeschäft in der DDR ausgelöst. Sebastian Pflugbeil, Energieexperte des Neuen Forums, sagte der taz, es habe mehrere Anzeichen gegeben, daß genau dies passieren werde. Die westdeutsche Atomindustrie stehe vor der Pleite, wenn sie nicht nach Osteuropa verkaufen könne. Und auch in der DDR stehe die Atomenergie vor dem Ende, weil die eigenen Anlagen zu schlecht seien. Jetzt werde die fatale Energiesituation der DDR ausgenutzt, um eine „gestorbene Form der Energieerzeugung neu zu beleben“.

Die PreussenElektra wollte gestern gegenüber unserer Zeitung zu dem Bericht der 'Welt‘ „keinen Kommentar“ abgeben. Man wolle erst das Dresdner Kommunique von Bundeskanzler Kohl abwarten, hieß es gestern in der Konzernzentrale. Firmensprecher Peter-Carl Rühland bestätigte allerdings gegenüber der taz, daß es im Zuge des Baus der deutsch-deutschen Stromtrasse Verhandlungen mit Bau - und Energiekombinaten sowie Außenhandelsgesellschaften der DDR gegeben habe. Dabei sei auch über „weitergehende Fragen“ gesprochen worden. Zu diesen Fragen gehört, wie Rühland erklärte, der Einsatz von DDR-Braunkohle im Fortsetzung auf Seite 2

Interview auf Seite 4

Kommentar auf Seite 9

FORTSETZUNGEN VON SEITE 1

grenznahen BRD-Kohlekraftwerk Offleben (bei Helmstedt), aber auch die Lieferung von Kohle- oder Atomkraftwerken in die DDR.

Das Bayernwerk reagierte mit einem vieldeutigen Dementi. Meldungen über den Bau von Atomkraftwerken in der DDR „entbehren jeder konkreten Verhandlungsgrundlage“, teilte Konzernsprecher Walter Weber mit. Gleichzeitig heißt es in einer Presseerklärung des Konzerns: „Richtig ist, daß die DDR eine Renovierung und Umstrukturierung ihrer Stromerzeugung vorhat und daß das Bayernwerk als eines der Anrainerunternehmen zur DDR für baldmögliche Gespräche über eine energiewirtschaftliche Zusammenarbeit mit der DDR grundsätzlich bereit ist.“ Das Bayernwerk erwartet, daß diese Gespräche „alsbald stattfinden“.

In der DDR sagte Matthias Voigt, Sprecher der Umweltgruppe „Arche“, das geplante Atomgeschäft müsse sofort offengelegt und am runden Tisch verhandelt werden. Niemand in der DDR habe ein Mandat, um solche weitreichenden energiepolitischen Entscheidungen zu

treffen. Falls es tatsächlich schon Verhandlungen gegeben habe, wären diese ohne Berechtigung hinter dem Rücken der Bevölkerung geführt worden. Für die DDR wäre der Bau weiterer Atomkraftwerke eine „völlig irrsinnige Entscheidung“. Statt dessen seien Investitionen in Energiesparprogramme und eine Reduktion des viel zu hohen Pro-Kopf-Energieverbrauchs der DDR, der weit größer sei als in der Bundesrepublik, notwendig. Die DDR dürfe nicht zum „neuen Markt für die Profitgeier der bundesdeutschen Atomindustrie“ werden, sagte Voigt. Für DDR-Heimkehrer Rudolf Bahro liegt der Atomdeal „in der Logik der Umstände“. Er hofft aber, daß sich der größte Teil der DDR-Opposition dagegen erheben werde.

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