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„Wir sind von Kopf bis Fuß auf die EG eingestellt“

Auf dem Weg zum Europäischen Wirtschaftsraum: Die EFTA ist willig zur Hochzeit mit der EG, aber die Teufel stecken reihenweise in den Details  ■  Aus Brüssel Michael Bullard

Werden die Eidgenossen demnächst ihre Volksabstimmungen statt unter freiem Himmel in Straßburgs Euro-Palast abhalten? Oder müssen sich die Pförtner des Europaparlaments nun gar auf Lappen aus dem fernen Finnland gefaßt machen, die zur Stimmabgabe mit ihren Rentier-Schlitten vorfahren? Solche rassistischen Witze kursierten am Rande der Außenministertagung der zwölf EG- und der sieben EFTA-Länder am Dienstag in Brüssel. Ziel des Treffens war es, den Fahrplan für Verhandlungen über die Schaffung eines „Europäischen Wirtschaftsraumes“ (EWR) festzulegen.

Schon heute ist das Handelsvolumen der EG mit den Ländern der Europäischen Freihandelszone (Schweden, Norwegen, Finnland, Island, Österreich und der Schweiz mit Anhängsel Liechtenstein) größer als das der EG mit Japan und den USA zusammengenommen. Bislang haben die EFTA-Länder aber nur das Privileg, ihre Industriegüter frei auf den EG-Märkten verkaufen zu können. In Zukunft sollen sie auch an den anderen drei „Freiheiten“ der EG teilnehmen können. Zeitgleich mit der Schaffung des gemeinsamen Marktes Ende 1992 soll EG- und EFTA-weit nicht nur der freie Austausch von Waren, sondern auch die ungehinderte Bewegung von Kapital, Personen und Diensten möglich sein. Außerdem sollen die Wettbewerbsbedingungen im Gesamtbereich EG-EFTA einander angeglichen werden. Nur die Grenzkontrollen werden vorerst bestehen bleiben.

Drei Wirtschaftsblöcke

in Europa?

Zu anfänglicher Begriffsverwirrung war es gekommen, als der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse am Montag ebenfalls in Brüssel seine Vorstellung eines neuen Europa vorstellte: „Es geht jetzt darum, die Voraussetzungen für ein neues Europa zu schaffen, einen einheitlichen Wirtschaftsraum auf dem europäischen Kontinent, der EG, EFTA und den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) umfaßt.“ Eine Dreier-Kommission, in der die drei Wirtschaftsblöcke vertreten sind, solle helfen, daß die Wirtschaften sich gegenseitig stärker durchdrängen.

Ein „äußerst interessanter Gedanke“, zumindest nach Meinung der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Irmgard Adam -Schwaetzer. Der EFTA-Präsident Jon Baldvin Hannibalsson aus Island hingegen fand die Idee abwegig: „Der RGW gehört der Vergangenheit an und hat nichts in einem neuen Europa zu suchen.“ Fast empört reagierte er auch auf den Plan der Kommission, die osteuropäischen Reformländer, die bei der EG angeklopft haben, erst einmal in die EFTA zu stecken: „Wir sind doch keine Institution für die Erziehung zur Marktwirtschaft.“ Der EG-Kommissar für Auswärtiges, Frans Andriessen, hielt es dann auch für besser, zur Tagesordnung zurückzukehren: Man solle erst einmal abwarten, wie sich der RGW entwickle und dann weitersehen.

An den Außenministern war es am Dienstag, grünes Licht für die weiteren Verhandlungen über den 1984 verabredeten Annäherungsprozeß von EG und EFTA zu geben. Die Aussichten auf einen gemeinsamen Markt mit 350 Millionen Konsumenten brachten die Eurokraten zum Schwärmen. „Wir sind von Kopf bis Fuß auf die EG eingestellt“, berichtete freudig der österreichische Generalsekretär Georg Reisch. Es müßten allerdings noch einige Kleinigkeiten geklärt werden: Einerseits will die EG die EFTA-Staaten an ihren internen Entscheidungsprozessen nicht beteiligen, andererseits forderte EFTA-Präsident Hannibalsson die Gleichstellung bei Beschlüssen, die den EWR betreffen. Während die skandinavischen Länder eher bereit zu sein scheinen, Beschlüsse der EG zu übernehmen, wollen die Regierungen Österreichs und der Schweiz ein Mitspracherecht bei den Entscheidungsprozessen in Brüssel. Andriessen machte jedoch klar, daß die Autonomie der EG nicht verhandelbar sei.

Verhandlungen sollen

noch 1990 beginnen

Die EFTA-Länder wollen die Verhandlungen noch im nächsten Jahr förmlich beginnen. Andriessen hat es nicht so eilig: „Wir sollten uns mit einem Termin nicht unter Druck setzen.“ Die Außenminister verständigten sich erst einmal darauf, regelmäßig zu politischen Konsultationen zusammenzukommen. Ungeklärt ist auch, ob der Europäische Gerichtshof für die Einhaltung gemeinsamer Vorschriften sorgen soll oder eine neu einzurichtende Institution, wie es die EFTA fordert. Die Österreicher betonten, daß der EWR den geplanten Beitritt Österreichs zur EG nicht ersetzen könne. Den Schweizern hingegen bereitet der Sog zur EG Kopfschmerzen: In der Ausländerpolitik, im Wettbewerbsrecht, in der Verkehrspolitik und in der Landwirtschaft sehen sie ihre eidgenössische Autonomie in Gefahr.

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