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Umweltschutz vor Arbeitsplätzen

Schwedische Regierung will sich nicht mehr erpressen lassen: Erstes großes Unternehmen soll schließen  ■  Aus Stockholm G. Pettersson

„Die Umweltschutzgesetzgebung wird verschärft. (...) Vor der Jahrhundertwende sollen die Emissionen der Industrie auf ungefährliche Niveaus herabgedrückt werden.“ Wie ernst es der schwedischen Regierung mit dem ist, was ihr Chef Ingvar Carlsson bei der Parlamentseröffnung im Herbst verkündete, zeigt der Fall Hagraf.

Hagraf wird ein Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende als das erste große Unternehmen in die Annalen der schwedischen Umweltgeschichte eingehen, bei dem die Erpressung „Arbeitsplätze gegen Umwelt“ nicht mehr funktionierte. Mit seinen 250 Arbeitsplätzen ist Hagraf einer der größten Arbeitgeber im västernorrländischen Ort Härnosand. Produziert werden Graphitelektroden für die Stahlindustrie.

Pro Jahr pustet die Firma rund 20 Tonnen eines aromatischen Kohlenstoffes in die Luft, mit dem die Umwelt verschmutzt und die Bevölkerung belastet wird. Die schwedische Regierung beschloß deshalb im Dezember 88, daß in Härnosand zwar weiter produziert werden könne, bis 1993 aber eine Verringerung der Schadstoffe erreicht sein müsse. Das Unternehmen Hagraf, das der Hoechst-Tochter Sigri gehört, erhielt die Aufforderung, bis zum 1.April 1990 Pläne für die Maßnahmen vorzulegen. Das Unternehmen teilte jedoch mit, daß es die Investitionskosten für eine saubere Umwelt, die sich auf geschätzte 130 bis 140 Millionen Kronen belaufen (35 bis 40 Millionen D-Mark), nicht aufbringen könne und statt dessen die Produktion in zwei Fabriken im EG-Bereich verlagern wolle.

Doch nicht nur in Härnosand mit seiner Arbeitslosenquote von 1,9 Prozent hat sich das Meinungsblatt gewendet. Kommentare von Gewerkschaftern, Betriebsangehörigen und Zeitungen machen deutlich, daß die Zeiten vorbei sind, in denen nach der Drohung von Betriebsstill legung weiterhin die Umwelt versaut werden konnte. Weder die Angestellten noch die Bevölkerung sollten die Zeche für die verantwortungslose unternehmerische Strategie bezahlen. Vor allem wird darauf verwiesen, daß dem Unternehmen durch den Regierungsbeschluß ausreichend Zeit eingeräumt worden sei, Vorkehrungen zu treffen. Woher der Ersatz für die 250 Arbeitsplätze kommen soll - falls das Unternehmen nicht noch umdenkt -, ist die zur Zeit sowohl in Stockholm als auch Härnosand heftig diskutierte Frage. Dabei ist eines klar: Keiner der Beschäftigten soll wegen der Regierungsauflagen im aromatischen Regen stehen bleiben.

Dennoch: Der von der Regierung eingesetzten „Arbeitsumweltkommission“, die sich um die Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz kümmern soll, sind keine Grenzen bei ihren Vorschlägen für ein humaneres Arbeitsleben gesetzt. Bis Januar 1990 will die Kommission unter Leitung der früheren schwedischen Arbeitsmarkt- und Justizministerin Anna-Greta Leijon die 400.000 miesesten, monotonsten, gefährlichsten und gesundheitsschädlichsten Arbeitsplätze zusammengetragen haben (Wo bleiben denn die psychisch belastendsten? d.S.). In welchem Umfang diese umgerüstet werden können oder schlicht wegfallen müssen, werden dann Politik, Gewerkschaften und Wirtschaft diskutieren. In welche Richtung die Kommission denkt, machte Leijon bei einem Besuch im Volvo-Werk Göteborg deutlich: Sie fordert zwingende Vorschriften für die Unternehmen, regelmäßig Zahlen zu Personalfluktuation, Krankenstand, Arbeitsschäden und Frühpensionierungen zu veröffentlichen.

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