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Bonn will US-Giftgas quer durch die BRD karren

■ Die hierzulande gelagerten amerikanischen C-Waffen sollen per LKW und Bahn abtransportiert werden / Ein Risiko, das die USA im eigenen Land tunlichst vermeiden / Bundesregierung hält Planung weiterhin geheim / Bei Unfall tödliche Wirkungen in 30 Kilometer Umkreis

Hamburg (afp/taz) - Die USA wollen nach einem Bericht des 'Spiegel‘ im Juni, Juli und August nächsten Jahres unter strengster Bewachung per Lastwagen und Güterzug rund 7.000 Tonnen Giftgasmunition quer durch die Bundesrepublik transportieren. Danach soll das Giftgas von Nordenham aus zur Vernichtung in den Pazifik verschifft werden. Der 'Spiegel‘ beruft sich in seinem Bericht auf geheime Pläne einer interministeriellen Arbeitsgruppe in Bonn. Danach sollen die tödlichen Kampfstoffe VX und Sarin im Sommer binnen fünf Wochen mit Auto-Konvois von dem bisher geheimgehaltenen Giftgaslager in Rheinland-Pfalz in das US -Munitionsdepot Miesau bei Landstuhl gebracht und dort auf Güterzüge umgeladen werden. Von Nordenham aus würden die C -Waffen per Schiff zum Johnston-Atoll gebracht, einer Inselgruppe im Pazifik 700 Meilen südwestlich von Hawaii. Dort sei die Verbrennung der Gifte geplant.

Sowohl Bonn als auch die US-Regierung weigern sich seit Jahren, den Standort des Giftgaslagers bekanntzugeben und die betroffene Bevölkerung an der Diskussion um die am wenigsten gefährliche Vernichtung der C-Waffen zu beteiligen. Nach Informationen des 'Spiegel‘ sind für den Abtransport der Fracht, die einschließlich der Spezialbehälter rund 7.000 Tonnen wiege, mindestens 25 Auto -Konvois erforderlich. Jeder Konvoi solle aus etwa 80 Fahrzeugen bestehen, von denen jeweils rund 20 mit der Giftgasmunition beladen seien. Zum Sichern der 25 Transportkolonnen sei der Einsatz von je 1.000 Polizisten geplant.

Laut Plan sind zwei Anfahrt-Varianten zur Umladestation in Miesau vorgesehen. Eine Route führe über die Autobahn A8 in Richtung Zweibrücken bis zum Autobahnkreuz Neunkirchen (Saarland) und von dort auf die A6 Richtung Landstuhl. Als Alternative sähen die Geheimpläne die A62 Richtung Landstuhl vor. Ausgangspunkt für beide Strecken sei die rheinland -pfälzische Verbandsgemeinde Rodalben. Dies spreche, so der 'Spiegel‘, dafür, daß das Giftgas in einem Sondermunitionslager in Rodalbener Ortsteil Clausen gelagert sei; Clausen sei seit 1967 Standort eines stark gesicherten Depots.

Bisher waren Experten und Giftgasgegner davon ausgegangen, daß die chemischen Kampfstoffe der US-Armee in Fischbach deponiert seien. Das Lager Fischbach ist in den letzten Jahren wiederholt Ziel von Demonstrationen und Blockaden gewesen. Seit Jahren fordern rheinland-pfälzische Friedensinitiativen sowie Politiker von SPD und Grünen die rückhaltlose Aufklärung der Bevölkerung über den Giftgas -Lagerort und über Gefahren, die von einem Abtransport ausgehen können. Nach Berechnungen von Experten, die der 'Spiegel‘ zitiert, würde das Giftgas, wenn es durch Sabotage oder bei einem Transportunfall freigesetzt wird, noch im Umkreis von 20 bis 30 Kilometern tödlich wirken. Im Gegensatz zu den jetzt aufgedeckten Plänen hat in den USA an den dortigen C-Waffen-Lagerorten ein öffentliches Erörterungsverfahren zur geplanten Giftgasvernichtung gegeben. Das Pentagon war gezwungen worden, alternierende Risikostudien erstellen zu lassen, an deren Erarbeitung auch regierungsunabhängige Wissenschaftler beteiligt waren. Das Ergebnis dieses Verfahrens: In den USA wird das gelagerte Giftgas an Ort und Stelle vernichtet, da die Risiken eines Transports bei weitem überwiegen.

JG

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