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Neues Forum vor der Spaltung?

■ Mitbegründer des Neuen Forums Rolf Henrich spricht von Spaltungsgefahr in der größten Oppositionsbewegung des Landes / Kontroverse um die Gründung einer Partei / GründerInnen plädieren für eine Bewegung

Berlin (ap/taz) - Der Mitbegründer der Oppositionsgruppe Neues Forum und Teilnehmer am „runden Tisch“ Rolf Henrich rechnet mit einer Spaltung seiner Organisation. „Diese Spaltung ist in gewissen Teilen des Landes schon vollzogen worden“, sagte er am Donnerstag im Saarländischen Rundfunk. Teile der Gruppe hätten sich zum Beispiel im Bezirk Karl -Marx-Stadt schon zur Partei konstituiert. Es gebe aber nach wie vor viele Mitglieder, die eine politische Kraft unterhalb der Parteiebene bleiben wollten. Henrich: „Ich denke auch, eine solche Organisationsform hätte weiterhin ihre Berechtigung.“

Noch am Wochenende hatte der Landessprecherrat der Gründung einer Partei eine Absage erteilt, obwohl besonders in den Bezirksorganisationen die Forderung nach Konstituierung einer Partei in den letzten Wochen immer drängender wurden. Insbesondere seitdem der Wahltermin auf den 6.Mai kommenden Jahres festgelegt wurde, sehen viele Mitglieder den politischen Einfluß der Organisation nur in einer eigenen Partei gewährleistet. Bislang agiert das Neue Forum als Bürgerbewegung, in der alle Interessierten, unabhängig ihrer Weltanschauung und Parteimitgliedschaft, mitarbeiten können. Die Gründung einer Partei würde das jedoch zwangsläufig ausschließen.

Während sich die Befürworter einer Parteigründung vor allem auf die Volkskammerwahlen hin orientieren, plädiert der Teil des Forums, der die bisherige Organisation als Bürgerbewegung favorisiert, in erster Linie für eine gesellschaftliche Kontrollfunktion des Neuen Forums. Basisarbeit im Sinne einer breiten Beteiligung - so Jutta Seidel, Mitinitiatorin des Forums - sei in einer Bürgerbewegung besser als in einer Partei zu leisten. Außerdem hätten diejenigen Mitglieder, die in einer Partei arbeiten wollten, die Möglichkeit, sich einer der bereits gegründeten Parteien anzuschließen, da diese programmatisch nicht sehr weit vom Neuen Forum entfernt seien. Andererseits werden die Parteibefürworter den Namen „Neues Forum“ für die neue Partei reklamieren wollen. Von allen Neugründungen hat das Forum den mit Abstand stärksten Zulauf.

In Hinblick auf den Organisationskonflikt, der die politische Arbeit seit einiger Zeit lähmt, sagte Henrich, das Neue Forum müsse sich nun neu strukturieren. Die erste Etappe sei für die Oppositionsgruppe vollendet, der breite Dialog sei in Gang gesetzt worden. „Das war das, was wir uns vorgenommen haben.“ Er selbst habe seine Bereitschaft zu politischer Verantwortung erklärt, und das schließe ein, daß er sich zur Wahl stelle. Bislang ist die Beteiligung von Kandidaten des Neuen Forums auf einer gemeinsamen Wahlliste der Opposition vorgesehen. Möglicherweise läßt das in Arbeit befindliche Wahlgesetz aber auch eine direkte Beteiligung von Kandidaten der Bürgerbewegung an der Volkskammerwahl zu.

Henrich sprach sich dafür aus, daß nach der Wahl auch die SED-PDS wieder an der Regierung beteiligt wird. Er wünsche es „sich ein Stück“ und auch dem Parteichef Gregor Gysi sowie dem Dresdner Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer.

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