Krachschlagen gegen Kirchenlärm

Wenn die katholische Kirche am 28. Dezember bundesweit zum sogenannten „Abtreibungsläuten“ aufruft, wird es aber auch zahlreiche Protestveranstaltungen geben / Mit Frauenketten, Kundgebungen und Hupkonzerten gegen „frauenfeindliche Tradition“  ■  Von Helga Lukoschat

Berlin (taz) - „Glöckner, wir sind Deiner dyba-drüssig“ Frauen aus Fulda haben ihn satt, „ihren“ Bischof Johannes Dyba, den Initiator des „Mahn- und Trauerläutens“. Doch nicht nur in der hessischen Bischofsstadt wird es am 28.Dezember, wenn die katholische Kirche das „Fest der unschuldigen Kinder“ mit einem fünfzehnminütigen Glockenläuten gegen Abtreibungen „feiert“, Kundgebungen und Proteste geben.

In Köln ist für den 28. ab 11 Uhr 30 eine Frauenkette rund um den Dom geplant. Aufgerufen haben dazu die Grünen Nordrhein-Westfalens und die Bundesarbeitsgemeinschaft Frauen. Trotz Weihnachts- und Ferienzeit hofft Sprecherin Renate Sarge auf das Kommen vieler Frauen: „Denn ein Zeichen müssen wir einfach setzen.“ Flugblätter soll es geben, Transparente und Plakate, die aufmerksam machen auf die „frauenfeindliche Tradition“ der Kirche, die „Millionen Frauen verfolgt, gefoltert, vergewaltigt und ermordet hat“. Weil mit der Frauenkette auch dieser „Leidensgeschichte“ gedacht werden soll, entschieden sich die Initiatorinnen, auf lautstarkes Auftreten zu verzichten. Dazu kam die ganz praktische Befürchtung, die Glocken des gewaltigen Kirchengemäuers ohnehin nicht übertönen zu können.

Anders in Berlin: dort werden Frauen (und Männer) parallel zum Glockenläuten buchstäblich Krach schlagen - zum Beispiel auf Kochtöpfen. An der Kreuzberger St. Johannes Basilika (in der Lilienthalstraße) wird um zwölf Uhr eine „unüberhörbare“ Protestkundgebung stattfinden. Ob in Memmingen oder Wiesbaden - in verschiedenen Städten wird es zu größeren und kleineren Protesten kommen. Auch die Idee eines „feministischen Hupkonzertes“ kursiert. Für die IG Metall hat Vorstandsmitglied Gudrun Hamacher gefordert, das Trauergebimmel zu unterlasen. Mit dieser Demonstration würden die Frauen auf eine Stufe mit dem Kindermörder Herodes gestellt.

Verschiedene Freidenkerverbände hatten sogar erwogen, gegen das „Demonstrationsgebimmel“ juristisch vorzugehen. Weil das Glockengeläut auch „Nichtchristinnen und -christen dem Diktat eines katholischen Verhaltens- und Sittenkodex'“ ausliefere, sollte es einen „Mißbrauch“ und eine „Lärmbelästigung im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes“ darstellen. Die Chancen für eine einstweilige Verfügung wurden dann aber doch als zu gering eingeschätzt.

Seit den öffentlichen Protesten - u.a. auch aus katholischen Kreisen wie dem Bensberger Kreis oder der Arbeitsgemeinschaft von Priester- und Solidaritätsgruppen sind in einigen Bistümern die Kirchenmänner moderater geworden. Der ursprüngliche Beschluß, nur für die „ungeborenen Kinder“ die Glocken tönen zu lassen, wurde erweitert: nun soll das Läuten an „alle durch Krieg, Elend, Mißhandlung oder Abtreibung umgekommenen Kinder“ erinnern.

In Berlin, so beschloß Bischof Sterzinsky, wird nur sieben Minuten geläutet. Mit der Begründung, das Läuten allein werde dem Anlaß nicht gerecht, bieten die Westberliner katholischen Gemeinden am 28.Dezember zusätzliche Gottesdienste oder Nachtwachen für Jugendliche, Besuche in Kinder- und Behindertenheimen wurden angeregt. In einem Schreiben des bischöflichen Ordinariats wird nun das gesamte Elend dieser Welt aufgezählt - das „ungeborene Leben“ taucht verschämt als ein Punkt unter anderen auf.

Auch der Mainzer Bischof Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, sah sich veranlaßt, in einem mehrseitigen Schreiben für das Läuten zu werben und „Mißinterpretationen“ vorzubeugen. „Heftige Diskussionen“ habe es in einigen Gemeinden gegeben, so ein Sprecher des Bistums. Zweifel wurden laut, ob das Anliegen auf diese Weise „vermittelbar“ sei. Bisher hat sich allerdings noch kein Gemeindepfarrer öffentlich dazu bekannt, die Glocken schweigen zu lassen.

Immerhin herrscht in der katholischen Kirche eine strenge Hierarchie und Gehorsamspflicht. Im Ermessen des jeweiligen Bischof liegt es, wie streng ein Verstoß geahndet und ob gar ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. In Oberschwaben, so weiß der Sprecher des Bensberger Kreises, werden einige Pfarrer dem Dilemma entgehen, indem sie zwar läuten, aber nicht über das auf dem Lande übliche Zwölf-Uhr-Läuten hinaus. Das traditionelle „Angelus-Läuten“ dauert normalerweise zwei bis fünf Minuten.

In anderen Bistümern wird es aber kein Erbarmen geben. In Köln mit seinen 928 Kirchen und Kapellen sollen die Glocken gnadenlos 15 Minuten lang ertönen. Joachim Kardinal Meisner machte keinen Hehl daraus, daß hier ein „Trauergeläut für abgetriebene Kinder“ zelebriert wird und ein „akustisches Denkmal“ gesetzt werden soll. Vielleicht hilft gegen soviel Verbohrtheit nur noch Hohn und Spott: die Humanistische Union zierte ihr Protestflugblatt mit einem Engelsköpfchen und zu der Aufforderung „Gebt den Pfaffenkindern eine Chance, schafft den Zölibat ab“. Weiter heißt es: „Was immer Sie in dieser denkwürdigen Stunde in ihrem Herzen bewegen, wir gedenken der ungeborenen Kinder katholischer Bischöfe und Pfarrer. Wieviel wertvolles Sperma und hochqualitatives Erbgut bleibt ungenutzt, wieviele Seelen dem Himmel vorenthalten!“