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Ein wundervolles Leben

■ James Stewart-Retrospektive auf Eins plus

Mit dem Dokumentarfilm James Stewart - A wonderful Life, den Eins Plus um 21.45 Uhr ausstrahlt, ehrte das US -amerikanische Fernsehen 1987 einen der beliebtesten Schauspieler der alten Hollywood-Garde. Stewart ist wohl das, was man hierzulande einen Volksschauspieler nennen würde. Als Komödiant konnte er stets ebenso überzeugen wie als harter Westerner. Es war eine Art von Bodenständigkeit, wohl auch Naivität, die viel zu seiner Popularität beigetragen haben mag. Stewart war häufig der Nachbar von nebenan, der Mann aus dem Volke, dem sich allerlei Widrigkeiten in den Weg stellten und der Probleme hatte, sich in der Welt zurechtzufinden. Wie eine Zusammenfassung seiner frühen Rollen wirkt Stewarts Auftreten als Elwood in dem Theaterstück Mein Freund Harvey, mit dem er am Broadway Triumphe feierte, und das 1950 unter der Regie von Henry Koster verfilmt wurde. Wieder einmal spielt Stewart einen Kleinstädter, in diesem Fall einen verschrobenen Sonderling, der sich mit einem für andere nicht sichtbaren Hasen unterhält.

Selbst in seinen härteren Rollen war er selten der gänzlich überlegene Supermann, ein Held ohne Wenn und Aber, und er brauchte es auch nicht zu sein. Hitchcock beispielsweise besetzte mit ihm zweimal bezeichnenderweise die Rollen eines Gehandicapten: In Das Fenster zum Hof trägt er einen Gipsverband und muß sich, hilflos im Rollstuhl sitzend, gegen einen Mörder wehren. InVertigo kämpft er gegen die Höhenangst. Für John Ford war Stewart die Idealbesetzung als Der Mann, der Liberty Valance erschoß, ein Mann, der aufgrund des Ruhms, den Gewaltverbrecher Valance erschossen zu haben, Senator wird, der aber in Wahrheit den tödlichen Schuß gar nicht selber abgefeuert hat.

Der 1908 geborene Stewart studierte zunächst Architektur in Princeton, bevor er sich einer Theatergruppe anschloß, der u.a. auch Henry Fonda angehörte, und deren Leiter Joshua Logan hieß. Bis 1935 arbeitet er an der Bühne und debütiert dann als Filmschauspieler in The Murder Man. Als „supporting actor“ spielte er in etlichen Produktionen der MGM-Studios, die den jungen Darsteller fürNext Time We Love auch schon mal an die Universal ausliehen. Hier war er erstmals an der Seite Margret Sullavans zu sehen. Sie wurde später seine Partnerin in H.C. Potters The Shopworn Angel (1938), LubitschsRendezvous nach Ladenschluß und Frank Borzages Tödlicher Sturm (beide 1940). Typische Stewart-Rollen waren auch jene, die der für den Chronisten der Roosevelt-Ära, den Regisseur Frank Capra, spielte, in Lebenskünstler (1938), Mr. Smith geht nach Washington (1939) und Ist das Leben nicht schön? (1946). Stewart unterbrach seine Schauspielerkarriere im Zweiten Weltkrieg, um in der US-Air Force Dienst zu tun. Er kam als hochdekorierter Soldat zurück; Grund genug für Hollywood, mit dem Kriegshelden die Airforce-Saga In geheimer Kommandosache zu drehen.

Nach dem Krieg hatte Stewart die MGM-Studios verlassen, er konnte es sich leisten, als freier Schauspieler zu arbeiten. Und er konnte sich noch etwas leisten: Als einer der ersten Hollywood-Akteure schloß er Anfang der fünfziger Jahre einen Vertrag, dem ihm prozentuale Anteile an den Einnahmen seiner Filme sicherte. Zu den Erfolgen dieser Jahre zählen u.a. Meuterei am Schlangenfluß (1952) und Die Glenn Miller Story (1954).

Bis Ende der siebziger Jahre drehte Stewart mit allen großen Regisseuren Hollywoods, darunter Billy Wilder, Otto Preminger, John Ford, Gene Kelly, Robert Aldrich, Don Siegel und vielen anderen, bevor er sich allmählich vom Filmgeschäft zurückzog und in einer Fernsehserie die Rolle eines Anwalts übernahm.

In der TV-Show A Wonderful Life, betitelt nach dem Ausspruch Stewarts „Ich hatte ein wundervolles Leben“, unterhält sich der Schauspieler mit Johnny Carson über seinen Werdegang, der darüber hinaus durch Filmausschnitte und Interviews mit Schauspielern wie Katherine Hepburn, Walter Matthau, Clint Eastwood und auch Ronald Reagan nachgezeichnet wird. Mit dieser Dokumentation eröffnet Eins Plus zugleich eine Reihe von James Stewart-Filmen, die jeweils am Dienstag abend gezeigt werden.

Harald Keller

Die nächsten Termine: 9.1.: „Der elektrische Stuhl“ von Tim Whelan, 16.1.: „Zum Tanzen geboren“ von Roy Del Ruth, 23.1.: „Der letzte Gangster“ von Edward Ludwig.

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