piwik no script img

Regierungskrise zu Neujahr in Israel

Ministerpräsident Shamir feuerte Minister Weizmann wegen seiner Kontakte zur PLO / Arbeiterpartei in der Bredouille / Regierungschef will Koalitionspartner an die Kandare nehmen und außenpolitisch Flagge zeigen / Der umstrittene Politiker wandelte sich vom Falken zur Taube  ■  Aus tel Aviv Amos Wollin

In Israel hat das neue Jahrzehnt mit einer Regierungskrise begonnen. Ausgelöst wurde sie durch einen Brief von Ministerpräsident Jitzhak Shamir, der die Entlassung von Wissenschaftsminister Ezer Weizmann (Arbeiterpartei) verfügte. Der Grund: Die Kontakte des agilen Ministers zur PLO. Seit 1986 fallen solche Kontakte unter das „Anti-Terror -Gesetz“ und sind verboten. Die Entscheidung Shamirs tritt am heutigen Dienstag in Kraft, sollten die Bemühungen um ein Beilegen der Krise scheitern.

Führende Politiker der Arbeiterpartei appellierten gestern an den Regierungschef, seinen Schritt vom Sonntag rückgängig zu machen. Die Arbeiterpartei droht mit ihrem Austritt aus der Koalitionsregierung, falls kein Weg gefunden wird, Weizmann in der Koalition zu belassen. Der Likud-Block beharrt demgegenüber darauf, daß die Koalition nur überleben kann, wenn die Arbeiterpartei Weizmann durch einen anderen Politiker ersetzt. Sie wirft Weizmann vor, geheime Kontakte zur PLO zu unterhalten und mit deren Chef Yassir Arafat über den Palästinenser Ahmed Tivi aus Ostjerusalem in Verbindung zu stehen. Verteidigungsminister Jitzhak Rabin und einige seiner Kollegen aus der Arbeiterpartei möchten die große Koalition mit dem Likud-Block und den religiösen Parteien nicht aufs Spiel setzen und suchen nach einem Kompromiß.

Die Arbeiterpartei steckt nun in einem Dilemma: Wenn sie ohne Weizmann in der Regierung bleibt, kommt dies einem Gesichtsverlust gleich, während Shamir alle Fraktionen des Likud-Blocks in dieser Frage hinter sich weiß. Die Arbeiterpartei möchte sich jedoch zugleich von Weizmanns angeblichen geheimen PLO-Kontakten distanzieren, da sie sich nach wie vor nicht deutlich für Gespräche mit der Palästinenserorganisation ausgesprochen hat. Und schließlich fürchtet die Arbeiterpartei vorgezogene Neuwahlen, denn der Likud-Block könnte ihr vorhalten, den „unpatriotischen Gesetzesbrecher“ Weizmann zu unterstützen und Gespräche mit der PLO zu suchen. Am Montag waren noch fieberhafte Gespräche hinter den Kulissen im Gange, um die Krise beizulegen.

Das Ziel Shamirs liegt mit der Entlassung Weizmanns offen zutage: Die Arbeiterpartei um den Preis des Machtverlusts dazu zu zwingen, den „Weizmannismus“ aufzugeben und auf den Likud-Kurs politischer Unbeweglichkeit in der Friedensfrage einzuschwenken. Shamirs Offensive signalisiert in Israel wie auch im Ausland außerdem seinen Widerstand gegen jedwede Zugeständisse an die USA, Ägypten und die PLO. Dies betrifft die israelischen Vorstellungen über die geplanten israelisch -palästinensischen Gespräche in Kairo: Die Zusammensetzung der palästinensischen Delegation und die Tagesordnung. Shamir möchte, daß in Kairo ausschließlich über seinen Vorschlag, Wahlen in den besetzten Gebieten abzuhalten, gesprochen wird.

Den Zeitpunkt für seinen Coup hat Shamir geschickt gewählt: Zum einen steht ein Treffen der Außenminister der USA, Ägyptens und Israels in Washington bevor, zum anderen hatte Weizmann noch in dieser Woche nach Moskau reisen wollen. Dort wollte der Politiker angeblich auch mit einem Vertreter der PLO zusammenkommen, obwohl er im Dezember vom Geheimdienst vor weiteren Kontakten zur PLO gewarnt worden war. Shamir erklärte, Weizmann habe seinen direkten Kontakt und indirekte Kontakte hinter dem Rücken des Ministerpräsidenten betrieben, sei dabei aber vom Geheimdienst überwacht wurden.

Weizmann selbst sieht keinerlei Grund, irgend ewtas zurückzunehmen oder sich zu entschuldigen: Auch andere Mitglieder der Regierung hatten Kontakte zur PLO. Dies schließt Shamir mit ein. Weizmann gilt als Friedenspolitiker und hat sich mehrfach öffentlich für direkte Verhandlungen Israels mit der PLO ausgesprochen. Er hat seine Partei in der Vergangenheit wiederholt aufgefordert, aus der Koalitionsregierung auszusteigen, um in der Opposition der Friedenspolitik einen neuen Auftrieb zu geben.

Seine politische Laufbahn begann er auf der Seite der „Falken“ als Mitglied in Menachem Begins Untergrund-Gruppe „Irgun“. Er war einer der ersten Kampfpiloten Israels, avancierte 1967 zum Chef der Luftwaffe und anschließend zum Leiter des militärischen Geheimdienstes. Er trat der Herut -Partei, der stärksten Kraft im Likud-Block, bei und übernahm 1977 unter Begin den Posten des Verteidigungsministers und war am Zustandekommen des Camp -David-Abkommens mit Ägypten beteiligt. Im Jahre 1980 schieden sich denn auch die Geister Begins und Weizmanns an ebendieser Frage. Weizmann warf dem Ministerpräsidenten vor, das Camp-David-Abkommen, namentlich die dort vorgesehenen Autonomiegespräche mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten, zu sabotieren. Seit er sich Mitte der achtziger Jahre der Arbeiterpartei anschloß, gilt er als der prominentesten Vertreter einer Friedenslösung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen