: Kaiser "ohne Kleider" - Kohl-ein Deutschnationaler
Kohl - ein Deutschnationaler
Bereits als die Schlesier in Polen bei Kohls Kirchgang das „Heilig, Heilig, dreimal Heilig, heilig bist nur Du“ anstimmten, und der Kanzler vor Rührung in Tränen ausbrach, hätte man es ahnen können. Nun, da er in Dresden mit bewegter Stimme rief: „Gott segne unser deutsches Vaterland“ ist es Gewißheit: Die Berge kreisten, und die CDU hat einen deutsch-nationalen Kohl hervorgebracht.
Derweil probt die eigentliche Minderheit den Aufstand: Ohne es zu merken, hat Kohl nämlich das deutschlandpolitische Programm der NPD „überaus geschickt“ ('Nationalzeitung‘) verbreitet. Längst demaskiert, demonstriert er nun vor interessierten Beobachtern seine Partei-Diktatur:
Der Zugang zum Kanzler ist nur einer Camarilla möglich, die den Beratern eines Hindenburg würdig wäre! Kohl beherrscht das politisch billige Spiel mit Gefühlen glänzend und spricht immer vom Gegenteil dessen, was er im Grunde meint. Insoweit bleibt er der heimliche Lenker der Diskussion.
Doch damit ist es nun vorbei: Die Zehn-Punkte-Erklärung hat den Löwen aus der Höhle gelockt. Das Stichwort „Konföderation“ ist die Leitlinie der NPD und somit ein deutsch-nationales Produkt. Ein Vergleich mit der amerikanischen Geschichte zeigt: Die Konföderation der Südstaaten führte geradezu die ewiggestrigen (und alten europäischen) Kräfte in der Auseinandersetzung mit der Union der Nordstaaten in die Aufgabe.
Kohl verfällt nun in einen hektischen Wettlauf mit der Zeit: Er muß seinen Patzer mit Erfolgen zukleistern. Als Kaiser „ohne Kleider“ wirkt er dabei hilflos und zittert nun vor den Offenbarungen der Deutschen Volksunion. NPD und DVU können Kohl mit dem Verlesen ihres Programms aus dem Jahre 1987 bei der Hand nehmen und eine CDU, die sich nicht im Erfolgsrausch sonnt, in die Krise stürzen...
Wer es nachweislich genau lesen möchte, möge die Probe auf das Exempel machen. Die NPD-Bundesgeschäftsstelle schickt jedem ihre deutschlandpolitischen Leitlinien auf Wunsch. Die Erkenntnisse daraus werden für jeden Nichtdeutschnationalen sehr ernüchternd sein.
P. Scheidemann, Berlin-Ost
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