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Razzia-Stimmung in der Hafenstraße

■ Hamburger Hafenstraße: Erneutes Räumungsgeschrei nach Silvester-Randale und RAF-Kampagne / BGH lehnte Durchsuchungsbeschluß ab / Gestohlene Maschinenpistole soll als Vehikel dienen / HafensträßlerInnen sehen sich als Opfer eines polizeilichen Konstrukts

Razzia-Stimmung an der Hafenstraße: Nachdem es in der Silvesternacht zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen ist, fordern die etablierten Parteien wieder einmal die sofortige Räumung der Häuserzeile nach dem Polizeigesetz. Doch der Senat winkt ab, da es dafür keine rechtliche Grundlage gebe.

Die Kampagne gegen die HafensträßlerInnen läutete wieder einmal Hamburgs Verfassungschef Christian Lochte ein. Nachdem im Zuge der RAF-Fahndung Mitte Dezember das mutmaßliche RAF-Mitglied Ute Hladki mit angeblich in der Hafenstraße gestohlenen Papiere festgenommen worden war, legte Lochte seine vier Jahre alte Arie des „legalen Arms der RAF“ in den Häusern neu auf: Angeblich 16 Personen des harten RAF-Unterstützerkreises würden in den Häusern wohnen.

Die Hamburger Boulevardpresse nahm Lochtes Aussagen bereitwillig auf und forderte die Räumung. Doch die Karlsruher Bundesanwaltschaft, die in Hamburg in den letzten Wochen nicht zimperlich operierte, bekam den gewünschten Durchsuchungsbefehl nicht. Nach taz-Informationen lehnte der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof ein solches Begehren mit der Begründung ab, die BewohnerInnen hätten sich schon längst auf eine Razzia eingestellt und es seien daher keine beweisrelevanten Funde zu erwarten. Die für Heiligabend oder den zweiten Weihnachstag vorgesehene Razzia - BGS-Einheiten hatten schon Urlaubssperre - mußte abgeblasen werden.

Merkwürdig daher auch die Ereignisse in der Silvesternacht. Entgegen aller polizeilichen Praxis fuhr am frühen Neujahrsmorgen ein Streifenwagen in die Nähe der Häuser, nachdem es angeblich zu einem Überfall gekommen war. Hier feierten gerade 250 Leute, nachdem es drei Stunden zuvor bei der traditionellen Knastdemonstration zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen war. Sofort umringte eine Gruppe von 15 Vermummten den Streifenwagen und kippte ihn auf die Seite. Vergeblich versuchten HafensträßlerInnen weitere Aktionen zu verhindern - „Peter 15/1“ ging in Flammen auf. Wer für die Aktion veranwortlich war - ob nun aufgebrachte Streetfighter oder Provokateure weiß niemand. Fest steht die Behauptung der Polizei, daß dabei eine Maschinenpistole mit 30 Schuß Munition entwendet worden sei.

Dubios an der Polizeiversion - die die Behörde mittlerweile mehrfach korrigieren mußte - ist, daß niemand den Diebstahl bemerkt hatte, obwohl dafür ein schwerer Metallkasten an der Beifahrertür aufgehebelt werden mußte. Und ebenso, daß in internen Polizeiberichten am Neujahrsmittag die gestohlene Maschinenpistole nicht erwähnt wird.

Die BewohnerInnen der Hafenstraße vermuten daher, daß sie Opfer eines polizeilichen Konstrukts geworden sind, um eine Razzia nach dem Motto „Die Hafenstraße sammelt Waffen für die RAF“ durchzusetzen.

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