: Nach der Revolution Recht auf Demonstration
■ Rumänien darf wieder im Ausland pumpen / Neue Reisefreiheit / Forderungen nach Grenzöffnung mit Sowjetisch-Moldawien
Berlin (afp/dpa/ap/taz) - Mit mehreren radikalen Änderungen hat sich die neue rumänische Regierung an den Umbau des Landes gemacht. Seit Donnerstag sind öffentliche Kundgebungen als Ausdruck des Rechts auf freie Meinungsäußerung erlaubt - ein Recht das sich die Rumänen bereits genommen hatten. Am gleichen Tage wurde das Verbot, Auslandskredite aufzunehmen, aufgehoben. Ceausescu hatte in den vergangenen Jahren auf Kosten der Versorgung der Bevölkerung alle Auslandsschulden zurückgezahlt und Neuverschuldungen verboten. Das Land habe laut der Ostberliner Nachrichtenagentur 'adn‘ Mitte 1989 bei westlichen Banken mit nur 0,3 Mrd. Dollar in der Kreide gestanden und Guthaben von 1,0 Mrd. gehabt. Außerdem haben alle Rumänen nun das Recht, mit Paß und ohne Ausreisevisum zu verreisen. Wie sie zu den dafür nötigen Devisen kommen, müssen sie selber sehen.
Schon am Mittwoch wurde in Bukarest ein elfköpfiger Exekutivrat des „Rats der Front zur nationalen Rettung“ gebildet. Dieser Exekutivrat ist der provisorischen Regierung, dem Ministerrat, übergeordnet und hat das Recht, dessen Beschlüsse aufzuheben. Vorsitzender ist der Übergangspräsident Iliescu, sein Stellvertreter Vizepräsident Dumitru Mazilu. Ministerpräsident Roman ist kein Mitglied dieses Gremiums. Zugleich wurde bekanntgegeben, daß 60 Personen aus dem Umkreis Ceausescus, darunter sämtliche Mitglieder des ehemaligen Politbüros, in Haft sind. Alle Übeltäter des alten Regimes sollen vor Gericht gestellt werden. Das gleiche gelte für die Angehörigen der Ceausescu-Sippe.
Zu einem brisanten Problem könnten nun aber Grenzkonflikte mit der Sowjetunion werden. In einem offenen Brief an Gorbatschow, der Außenminister Schewardnadse in der nächsten Woche überreicht werden soll, haben Intellektuelle eines „Nationalen Komitees Bukarest/Kischinjow“ die Grenzöffnung zwischen der Sowjetrepublik Moldawien, dem ehemals rumänischen Bessarabien, und Rumänien gefordert. Eingeklagt wurde Reisefreiheit, die Aufhebung des Paß- und Visumzwanges und den Verzicht auf einen Zwangsumtausch sowie Freiheit für die etwa 2,5 Millionen rumänienstämmige Sowjetbürger. „Auch Rumänien hat eine DDR“, erklärte Prof. Georghe Copil von der Universität Iasi.
Die Forderung nach einer Wiedervereinigung mit dem sowjetischen Moldawien wird von den Intellektuellen nicht erhoben, allerdings mehren sich auch dafür die Stimmen auf beiden Seiten der Grenze. Bessarabien war aufgrund des Hitler-Stalin-Paktes zur UdSSR gekommen. Die dortige Volksfront hatte sich bis zum Sturz Ceausescus jedoch mit Anschlußforderungen zurückgehalten. Bereits wenige Stunden nach dem Sturz des Diktators wurde in der moldawischen Hauptstadt Kischinjow bei einer Demonstration erstmals die Anschlußforderung erhoben. Eine Delegation dieser Volksfront trug sie schon am 24. Dezember bei einer Demonstration im rumänischen Iasi vor, das zwanzig Kilometer von der sowjetischen Grenze entfernt liegt.
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