piwik no script img

Neue Chemikalie verätzt Seevögel

■ Wissenschaftler des Deutschen Tierschutzbundes analysierten Reinigungssubstanz „Nonylphenol“ als neuen Killer in der Nordsee / Im vergangenen Jahr wurden „mindestens 10.000 Seevögel“ von der Chemikalie vergiftet

Westerland (dpa/taz) - Wissenschaftler und Tierschützer haben einen neuen Umweltskandal in der Nordsee aufgedeckt. In „wochenlanger, detektivischer Kleinarbeit“, so der Deutsche Tierschutzbund, gelang es Wissenschaftlern der Rettungs- und Forschungsstation für Seetiere in Tinnum, die Chemikalie Nonylphenol als Killer von - im vergangenen Jahr

-mindestens 10.000 Seevögeln zu identifizieren. Die Vögel waren im deutschen und niederländischen Wattenmeer vergiftet worden. Erkenntnisse über das schleichende Gift, das die Vögel verätzt, veröffentlichte die Organisation am Wochenende auf Sylt.

Nonylphenol dient demnach als Grundstoff für Reinigungsmittel. Nach bisherigen Erkenntnissen, so der Bundesgeschäftsführer des Tierschutzbundes, Wolfgang Apel, muß angenommen werden, daß die Chemikalie illegal von kleineren Nonyphenol-Tankschiffen ins Meer geleitet wird, um die Transportbehälter auf See auswaschen.

Der Biologe Prof.Gerd-Heinrich Neumann (Münster) sagte, die Zahl der an Nonylphenol sterbenden Vögel nehme weiter zu. Viele Tiere seien „in regelrechte Teppiche“ des Giftes hineingeschwommen. „Für Menschen ist das Gift genau so gefährlich“, erklärte der Tierschutzbund. Inwieweit Nonylphenol auch am Seehundesterben von 1988 mitbeteiligt war, werde noch zu untersuchen sein.

Apel nannte den Umgang der europäischen Industrienationen mit der Nordsee und ihren Lebewesen „mittelalterliche Barbarei im Nadelstreifenanzug“. Kaum habe der letzte Dünnsäuretanker seine „skandalösen Verklappungsaktionen“ beendet, hätten „längst andere unbemerkt eine weit schlimmere Giftbrühe ins Meer gerührt“. Die staatlichen Kontrollen würden der kriminellen Realität hoffnungslos hinterherhinken.

Bundesumweltminister Töpfer und die Senatoren der Küstenländer wurden aufgefordert, die Verursacher des neuen Umweltskandals schleunigst zu ermitteln.

Nonylphenol wird nach Angaben der Umweltschützer in Westeuropa von fünf Firmen hergestellt und vertrieben - mit einer Jahresproduktion von rund 70.000 Tonnen. In der Bundesrepublik sei der Verbrauch 1988 von den Herstellern auf rund 3.000 Tonnen pro Jahr beschränkt worden.

Das Gift - eine klare bis gelbliche, zähe und wasserunlösliche Flüssigkeit - greift die Schleimhäute an. Toxikologen und Tierärzte fanden in den Körpern von Seevögeln nur noch eine schwarze schleimige Masse: Darm und Magen waren verätzt und hatten sich aufgelöst. Wie schwerwiegend die Folgen von Kontakt mit Nonylphenol sein können, belegen auch die Feuerwehrvorschriften. Sollte die Chemikalie ins Wasser gelangen, dann ergeht an alle Feuerwehrmänner die Warnung: „Beim Retten nicht ins Wasser springen!“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen