: Strukturell glatt revolutionär-betr.: "Paarweise schwul", taz vom 23.12.89
betr.: „Paarweise schwul“,
taz vom 23.12.89
(...) Eine hübsche Plauderei, Elmar Kraushaars „Paarweise schwul“. Nur dort, wo inhaltlicher Tiefgang versucht wurde, geriet's ihm zum billigen Weihnachtsmärchen. Kraushaar mokiert sich über die Datenmanie einer wissenschaftlichen Untersuchung zum Thema Männerpaare („35 Prozent haben ein Tier“), zählt aber dann aus den Auskünften seiner drei Pärchen auch eins und eins zum eigenen Credo zusammen: Recht auf Homo-Ehe? Nein Danke! Weil ihm seine empirische Basis wohl selbst zu dünn vorkommt, wird der Bundesverband Homosexualität als Kronzeuge bemüht und behauptet, dessen letzte Mitgliederversammlung habe der Forderung, Schwule müßten die Möglichkeit bekommen, ihre Beziehungen rechtlich absichern zu können, „einen Korb“ erteilt. Eine recht eigenwillige Interpretation des dort gefaßten Beschlusses, in dem es unter anderem heißt: „Bei der zu erwartenden Neuregelung für nichteheliche Lebensgemeinschaften (Schaffung eines Rechtsinstituts) dürfen Schwule nicht ausgeschlossen werden“, und gefordert wurde, „es muß sichergestellt sein, daß sich Lebensgemeinschaften frei für oder gegen dieses Rechtsinstitut entscheiden können.“
Ebensowenig aufgefallen ist Kraushaar anscheinend auch, daß der Staat ganz und gar nicht wild darauf ist, schwulen Paaren, die das wollen, seinen „Segen“ zu spenden, vielmehr Schwule auch durch das ihnen verordnete Heiratsverbot „ächtet“. Was in Dänemark an Gleichberechtigung durchgesetzt wurde, versteht zumindest die jetzige Bundesregierung als perfiden Anschlag auf die heiligsten (Ehe-)Güter des Abendlandes.
So schrieb auch Alice Schwarzer schon vor einigen Jahren, ihr erscheine „die Sehnsucht nach der Ehe gerade in einer homosexuellen Liebe individuell gesehen zwar durchaus konform, strukturell gesehen aber gleichzeitig glatt revolutionär: In einer zwangsheterosexuellen Welt, wie der unseren, ist und bleibt es eine Unerhörtheit, die homosexuelle Liebe so ernst zu nehmen, wie die heterosexuelle.“
In diesem Sinne kann man sich dann zwar freuen, daß die interviewten Männerpaare individuell offensichtlich erfrischend nonkonform leben wollen, über das strukturell Konservative in Kraushaars politischem Denken aber nur wundern.
Frank Hoyer, Stuttgart
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