Landesregierung besorgt, daß noch mehr Roma kommen

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor zu den Forderungen der Roma nach einem dauerhaften Bleiberecht in seinem Bundesland  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Schnoor, etwa 750 Roma befinden sich auf einem „Bettelmarsch“ Richtung Düsseldorf. Sie fordern ein dauerhaftes Bleiberecht und wenden sich gegen die im Dezember von der Landesregierung beschlossene Aufhebung des Abschiebestopps. Was wird die Regierung tun?

Herbert Schnoor: Ich werde hier mit den Roma sprechen, und zwar auf der Grundlage der bisherigen Beschlüsse der Landesregierung. Ich kann die Entscheidung, den Abschiebestopp aufzuheben, nicht meinerseits kassieren. Das heißt nicht, daß nun jeder abgeschoben werden kann, sondern es wird jeder Einzelfall geprüft.

Nach Darstellung der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ gibt es in Jugoslawien zahlreiche Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Roma. Warum gewähren Sie nicht ein Bleiberecht analog zu der Regelung für die verfolgten kurdischen Yeziden und türkischen Christen?

Der Unterschied ist, daß mir über die Situation der Yeziden umfangreiches Material vorgelegt worden ist. Ich hatte die Gesellschaft für bedrohte Völker gebeten, mir entsprechende Unterlagen auch über die Roma zukommen zu lassen, aber die zuständige Frau Reemtsma hat die zugesagten Gutachten bisher nicht beigebracht. Der Abschiebestopp ist nur angeordnet worden aufgrund des mündlichen Vortrages von Frau Reemtsma und der Unterstützergruppen der Roma, ohne daß das im einzelnen belegt war. Wir haben uns nach weiteren drei Monaten noch einmal zusammengesetzt, und die Unterlagen sind immer noch nicht gekommen. Bei der Landesregierung entstand die Sorge, daß über das Bleiberecht der Roma nicht aufgrund klarer Angaben über die Verfolgung entschieden wird, sondern es sich nur automatisch deshalb ergibt, weil inzwischen Zeit abgelaufen ist und man dann sagte, jetzt kann man es nicht mehr anders machen. Solange die Substanzierung der Gruppenverfolgung nicht vorliegt, muß ich deshalb von der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes, die eine Gruppenverfolgung verneint, ausgehen.

Sie könnten doch angesichts der nur etwa 3.000 in Nordrhein -Westfalen lebenden Roma mindestens eine Stichtagsregelung für diese Personengruppe gewähren.

Die Sorge der Landesregierung war, daß es eben nicht bei diesen 3.000 bleibt, sondern das die in anderen Bundesländern lebenden hinzukommen und der Zuzug aus Jugoslawien, wo etwa 500.000 Roma leben, dann weiter anhält und alle nach Nordrhein-Westfalen streben. Generell muß man ja zwei Gruppen von Roma unterscheiden. Einmal gibt es diejenigen, die in Europa quasi als Nomaden umherziehen. Das war früher möglich und muß auch heute zulässig sein. Entsprechende Beschlüsse haben die europäischen Gremien ja auch gefaßt. Wir müssen darauf dringen, daß für die Roma in jedem europäischen Land eine vorübergehende Bleibemöglichkeit gewährt wird. Leider waren der Bundesinnenminister und meine Kollegen bei der Innenministerkonferenz sehr zugeknöpft und nicht bereit, sich meine Hinweise auf die EG anzuhören. Und die Innenministerkonferenz war auch nicht bereit, für die, die dauerhaft bleiben wollen, eine Gruppenentscheidung zu treffen. Ich habe versucht einen Konsens zu erreichen, daß man zumindest denjenigen, die länger hier sind, entgegenkommt. Das war nicht durchsetzbar.

Interview: Walter Jakobs