Lohnkämpfe in England

Ford-Arbeiter reizen Maggie Thatcher zur Weißglut  ■ MIT DEM PERFIDEN ALBION AUF DU UND DU

London (dpa/taz) - In Großbritannien kündigen sich Arbeitskämpfe an. Die in den letzten Jahren von der neoliberalen Wirtschaftspolitik Maggie Thatchers arg gebeutelten Lohnabhängigen wollen ihre Einkommensverluste in diesem Jahr wenigstens wieder einigermaßen wettmachen. Das öffentliche Meinungsklima der Insel ist den Lohnabhängigen und ihren Gewerkschaften allerdings wenig gut gesonnen. „Selbst zehn Prozent sind nicht genug!“ entrüstete sich beispielsweise das konservative Massenblatt 'Daily Mail‘ Donnerstag über die Lohnforderungen der britischen Ford -Arbeiter. Diese hatten am Vortag ein Angebot des Autoherstellers von 10,2 Prozent zurückgewiesen und mit Streik gedroht. Als Schrittmacher für andere Industriezweige könnte der Lohnkampf bei Ford dazu beitragen, die allseits verkündete magische Zehn-Prozent-Hürde in den allgemeinen Lohnforderungen in der britischen Wirtschaft zu durchbrechen.

Schon rüsten 700.000 staatliche Verwaltungsbeamte, die mit die härtesten Opfer der konservativen Sparpolitik zu tragen haben, mit dem Verlangen nach mehr als elf Prozent Lohnsteigerung. Finanzminister John Major warnte in bekannter Manier vor dem drohenden Verlust von Arbeitsplätzen, wenn die Lohnerhöhungen oberhalb der gegenwärtigen Inflationsrate von 7,7 Prozent liegen sollten. Angesichts nur magerer Zuwächse der Arbeitsproduktivität könnte dann, so die Befürchtung, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der britischen Wirtschaft weiter unterminiert werden. Premierministerin Margaret Thatcher machte sich bereits ernste Sorgen über die zukünftige Position Großbritanniens in der Weltwirtschaft: „Das ernsteste Problem, das wir gegenwärtig haben, sind die Lohnstückkosten.“ Dieser als Verhältnis der Löhne pro Beschäftigten zur Arbeitsproduktivität berechnete Indikator würde in Großbritannien wesentlich schneller steigen als in den Konkurrenzländern Bundesrepublik, Frankreich, Japan und den USA. Ein weiteres Zurückfallen der britischen Wirtschaft im Weltmarktrennen würde die Überlebensfähigkeit der Thatcher-Regierung, die ihre Legitimation gerade aus der ökonomischen Leistungsfähigkeit bezieht, stark gefährden.

Die Premierministerin fürchtet aber auch um ihren Erfolg auf dem Arbeitsmarkt. Seit 40 Monaten sinkt, nicht zuletzt dank diverser statistischer Tricks und Verschleierungen, die Arbeitslosenzahl ununterbrochen vom Höchststand von 3,4 Millionen auf gegenwärtig 1,6 Millionen. Dieser Trend könnte sich in Kürze umkehren. Schuld daran haben aber auch die Tories mit ihrer verfehlten Geldpolitik selbst. Der Unternehmerverband äußerte Rezessionsängste, die von dem hohen Zinsniveau von 15 Prozent verursacht sind, das aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit dringend notwendige Neuinvestitionen behindert. Aber Finanzminister Major denkt vorerst nicht an Zinssenkungen, denn er will vordringlich die Inflation bekämpfen. Die Regierung bleibt auch hart im öffentlichen Sektor. Im seit vier Monaten dauernden Arbeitskampf der Krankenwagenbesatzungen beharrt die Eiserne Lady: Neun Prozent mehr Lohn für die kommenden 18 Monate und keinen Penny mehr. Die Gegenseite verlangt mehr als elf Prozent. Der auf dem Rücken von Kranken und Unfallopfern ausgetragene Streit dauert an.

Kurt Zausel