: Gras züchten für die Schrankwand
■ Oldenburger Gärtnerei produziert Gräser für die Spanplatten-Produktion / Heimische Gewächse sind ungeeignet
Spanplatten für die Schrankwand oder den Dachbodenausbau werden bisher aus Hölzern hergestellt, die für die Produktion von richtigen Möbeln zu dünn oder zu krumm gewachsen sind. Jetzt ist ein Rohstoff in Sicht, der noch billiger ist, ein Gras. Es heißt „Mineral Giant Reed“ (MGR) und wächst wild in den warmen Regionen Indiens und Chinas. Biologen in der Schweiz und in Oldenburg haben dieses Riesengras bis zur Produktionsreife weitergezüchtet. Sie haben verschiedene „Varietäten“ gezüchtet, die in ganz unterschiedlichen Klimaten und auch auf den allerschlechtesten Böden gedeihen sollen. Elke Haase, Chefin der Olden
burger Firma Piccoplant: „Das ist besonders interessant für viele Entwicklungsländer, wo es sehr trockene, versalzte oder Böden gibt, die so weit erodiert sind, daß man nichts anderes anbauen kann. Das MGR-Gras wächst auch dort.“
Dieses Gras darf man sich nicht wie den heimischen Rasen vorstellen, eher schon wie das Pampas-Gras, das in manchen Gärten wächst. Das MGR-Gras wird bis zu drei Metern hoch und produziert sehr viel Biomasse von einer bambusähnlichen Festigkeit. Piccoplant hat bei der Entwicklung des Grases mit dem Ingenieurbüro Erwin Hüsler aus Zug (Schweiz) zusammengearbeitet.
Hüsler, ein Maschinenbauer mit biologischer Ader, hat das neue Rohmaterial schon getestet und daraus Spanplatten zusammenleimen lassen. Ergebnis laut Elke Haase: Die Platten sind wiederstandsfähiger als die herkömmlichen.
Nun geht es ums Vermarkten der neuen Technik. Haase/Hüsler wollen komplette „Know-how-Pakete“ verkaufen: Eine Spanplatten-Produktionsanlage und ganz viele Pflanzen von demjenigen Typ des MGR-Grases, der zu den Anbauflächen des Kunden passt. Gespräche mit der Sowjetunion sind bis kurz vor Vertragsreife gediehen. Die mit einem nordafrikanischen Land ziehen sich hin.
Wenn dann endlich geliefert werden soll, wird es Aufgabe von Piccoplant sein, in kurzer Zeit sehr viele Planzen zu produzieren, und darauf ist sie spezialisiert: Aus der Knospe einer Mutterpflanze entnehmen die Mitar
beiter unterm Mikroskop winzige Gewebestückchen, die Meristeme. Das ist noch undifferenziertes Gewebe, das eine sehr hohe Teilungsrate hat und deshalb auch „Ursprungsgewebe“ genannt wird. Das Meristem wird sterilisiert, und in „Medien“, also ernährende Substanzen eingelegt. Sie enthalten Salze, Spurenelemente, Zucker, Vitamine und Hormone, alles eingedickt in Agar-agar, eine gelatineähnliche Masse, die aus Algen gewonnen wird. Erst später kommt der kleine Sproß in die Erde und bildet dort erst Wurzeln. Damit er schneller wächst, überlisten ihn die Züchter auch noch mithilfe des Lichtschalters. Wenn sie die Neonröhren über den riesigen Regalen ausknipsen, denkt der Sproß, schon wieder sei ein Tag vorbei. „New Brave World“ mit Pflanzen-Embryonen.
Dieses rasate Verfahren der Pflanznvermehrung wenden die Mitarbeiter auch bei der Zucht
an. Sehr schnell können Pflanzen, die nicht die gewünschten Eigenschaften haben, ausgesondert, die Prachtexemplare dagegen weitergezüchtet werden. Tropische Blumen, etwa Orchideen werden auf diese Weise winterfest und blühen im norddeutschen Nebel.
Wenn das MGR-Gras einmal ausgepflanzt ist, vermehrt es sich von selbst. Aus dem Wurzelgeflecht sprießen im Frühjahr neue Halme, die bis zum Herbst reif für die Mähmaschiene werden. In der BRD wird es dennoch nicht angebaut werden, weil der Flächenverbrauch doch sehr groß und unsere Böden zu gut dafür sind.
Daß viele Spanplatten immer noch mit Leim zusammengeklebt sind, die den krebserzeugenden Weichmacher Formaldehyd enthalten, ficht die Oldenburger Biologen nicht an: „Es gibt auch Spanplatten, die kein Formaldehyd enthalten, die sind etwas teurer. Da müssen die Verbraucher aufgeklärt werden.“
mw
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen