: Neues Forum auf Richtungssuche
■ Protokoll von der Mitgliederversammlung am Mittwoch in Rostock
In einem Hörsaal der Universität Rostock fand am Mittwochabend die erste Vollversammlung des Neuen Forums Rostock statt. 400 MitgliederInnen und SymphatisantInnen waren gekommen. Die VV stand unter dem Eindruck der vorangegangenen Landesvorstandssitzung in Berlin, auf der diskutiert worden war, ob sich das Neue Forum weiterhin als Bürgerbewegung versteht oder ob es sich als Partei konstituieren soll. Die Rostocker hatten sich mehrheitlich gegen eine Parteigründung entschieden. Harald Terpe, einer der zehn Sprecher des neuen Forums Rostock plädierte für eine Koalition der Vernunft mit den anderen fünf Oppositionsgruppen, die sich zur Wahl zusammenschließen wollen. Nur so sieht das Neue Forum eine Möglichkeit, sich einerseits von den Blockparteien abzugrenzen, andererseits aber auch gegen die starke SDP zu bestehen.
Befürchtet wird vor allem ein Wiedererstarken der SED-PDS. Diese nutzt weiterhin ihren gewaltigen Apparat und setzt auch ihre großen finanziellen Mittel ein, um sich bei den Wahlen zu behaupten.
Dabei ist noch fraglich, ob das Neue Forum als Bürgerrechtsbewegung, ähnlich wie „Demokra
tie jetzt“ oder „Frieden und Menschenrechte“ überhaupt zur Wahl zugelassen wird. Denn nach den bisherigen Vorstellungen sollen nur Parteien kandidieren dürfen. Das Thema Wahlgesetz bestimmte in den letzten Tagen auch die Diskussion am Runden Tisch.
In der weiteren Diskussion auf der Vollversammlung ging es dann um das Interesse am Wahlbündnis mit den anderen Oppositionsparteien. Das Neue Forum ist diesem Bündnis vor allem beigetreten, um so Wahlbehinderungen gezielt entgegentreten zu können.
Die SED-PDS versucht zur Zeit durch die Rolle des Gralshüters des Antifaschismus wieder Boden zu gewinnen. Dabei, so die Vermutungen von vielen, sehen die Schmierereien am Ehrenmal in Berlin-Treptow aus, als seien sie von bezahlten Provokateuren verübt worden. Die Hauptschuld an entstehenden rechten Gruppierungen trage indes die SED-PDS selbst. Auch in Rostock hat es Hakenkreuzschmierereien gegeben. Die wurden inzwischen als „böser Bubenstreich“ einiger Schülern entlarvt, die die Tragweite überhaupt nicht erkannt hatten und auch keiner neofaschistischen Gruppe angehörten.
Auch um die Frage, ob sie sich
an einer Regierungskoalition beteiligen sollte, wird im Neuen Forum bereits diskutiert. Befürchtet wird ein Gerangel der diversen Oppositionsparteien um Ministerposten. Dabei ist dem Neuen Forum auch die Rolle der Grünen in der hessischen Koalition noch gut in Erinnerung.
Dann verabschiedete das Neue Forum noch einen Aufruf für eine landesweite Demonstration am kommenden Montag. Motto: „Gegen die Restaurationspolitik der SED und ihres Sicherheitsapparates.“ Darin fordert das Neue Forum die tatsächliche Auflösung und kontrollierbare Entwaffnung aller Dienststellen des ehemaligen Stasi und aller Nachfolgeorganisationen. Sowohl Terrorismus als auch rechts -und linksradikale Kriminalität sollten durch die Volkspolzei bekämpft werden. Das SED-Vermögen solle offengelegt und Verfahren gegen ehemalige Mitglieder der SED -Führung eingeleitet werden. Weitere Forderung: Die sofortige Offenlegung aller zum Staatsgeheimnis deklarierten Dokumente. Abschließend heißt es: „Sollte die Volkskammer die Bildung neuer Geheimdienstorganisationen beschließen, entscheidet das Volk auf der Straße.“
Michael Rittendorf
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