Feindbild - bitte stören!

■ Horst G.Wagner mit „Wir bitten, die Feindbildstörung zu entschuldigen“

Grenzen fallen, Mauern werden eingerissen, Fronten verblassen - kurz, es herrscht „Feindbildstörung“. Schon eine schlimme Situation. Da hat ein Kabarettist gar nichts mehr zu sagen und muß trotzdem zwei Stunden lang reden, oder sogar anspruchsvoll unterhalten! „Kein billiger Klamauk, keine trivialen Politikerparodien“ waren angekündigt, sondern „literarisches Kabarett“ von Horst Gottfried Wagner, der Theaterregisseur und Texter beim Düsseldorfer Kom(m)ödchen, der schon zum zweiten Mal in dieser Spielzeit auf der Packhausbühne zu sehen ist. Dennoch war der Saal zur Premiere mit kaum 50 ZuschauerInnen nicht mal halb besetzt. Wagner nimmt es kabarettistisch: „Das hat auch Vorteile: Wenn ich nach der Pause rauskomme, - ein Blick und ich seh‘: Es fehlen zwei“!

Es ist nicht einfach, einen Kabarett-Abend solo durchzustehen, Wagner holt sich deshalb eine deutsche Oma auf die Bühne („schon eine Unverschämtheit, denn Terroristen geht es im Gefängnis besser als es unschuldigen Menschen im KZ gegangen ist“), einen „Professor“ und sogar die fernöstliche Gottheit Shiwa, um sich sozusagen selbst gegenseitig in Rage zu spielen. Für den literarischen Anspruch ist die Figur des August von Kotzebue zuständig, schriftstellernder Zeitgenosse Goethes und ein Genie im Feindeschaffen, aber der kann auch nicht mehr viel weiterhelfen, seitdem Gorbatschow die Kabarettisten arbeitslos macht. Wagner persifliert die ausgeleierten Ziele seiner Kollegen, die „aus vollen Rohren auf Genschers Ohren“ schießen müssen - aber ihm sel

ber bleibt auch nicht viel anderes übrig. In der Tagespresse hat Wagner nämlich schon länger nichts mehr gefunden, er traut sich gar nicht mehr, den Fernseher anzuschalten - da findet sich eh nichts Brauchbares, nur Händeschütteln überall, schrecklich!

Ohne die guten alten Feindbilder kommt Wagner nicht aus: Da greift der Kabarettist halt auf Bewährtes, Dauerhaftes zurück. Hat ja immerhin den Vorteil, daß er sein Programm dann nicht jedes Jahr wechseln muß. In einer Moralpredigt nach allen Regeln der Pfaffen-Kunst geißelt er die, die das Wörterbuch des Unmenschen vergessen haben. Minutenlang reitet er die Fans des „freie Fahrt für freie Bürger“ zu Tode und amüsiert das Publikum auf Kosten des ADAC. Schließlich zitiert er Reaktor-Unfälle, Flugzeug-Abstürze und Pfingst-Ver

kehr vor Gericht, um sie wegen der von ihnen „geforderten Todesopfer“ zur Rede zu stellen. Mit einer Nummer über das „abtreibunsgfreie“ Memmingen und die Drogenprophylaxe in Panama wird er doch noch fast aktuell.

Zum Schluß kommt er auf sein Thema zurück, o Freude, er hat es gefunden, das neue Feindbild - zusammen mit Pappnase, Helmut Schmidt und unter dem Stichwort „Augen“. (Mehr soll hier nicht verraten werden.)

Das Premieren-Publikum schien trotz einiger Längen hinreichend amüsiert und zufrieden. Und das war ausdrücklich des Kabarettisten wichtigstes Anliegen. Für die, denen das nicht reichte, lag im Foyer als Chance für eine gute Tat eine Unterschriftenliste gegen FCKW aus. Danke liebes Kabarett!

B.K.

bis 15.1. tgl. 20 Uhr, Packhaus