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Geheimzusage Syriens über Abzug aus Libanon

■ Das Bekanntwerden eines Abkommens zwischen Syrien und Saudi-Arabien könnte die festgefahrenen Fronten im libanesischen Bürgerkrieg bewegen / Aoun wird Wind aus den Segeln genommen / Wieviel Dollar hatte Prinz Saud Faisal bei seinem Damaskus-Trip im Gepäck?

Damaskus (wps) - Syrien hat Saudi-Arabien und anderen arabischen Staaten offenbar schriftlich zugesichert, über einen Zeitplan für den Abzug seiner 40.000 Mann starken Streitkräfte aus dem Libanon zu verhandeln. Das bislang geheimgehaltene Schreiben soll nach Aussagen diplomatischer Quellen in der syrischen Hauptstadt Teil eines politischen Gesamtabkommens sein, das mit dem libanesischen Parlament bereits im letzten Oktober in Saudi-Arabien ausgehandelt wurde. Das Abkommen von Taif hatte dem libanesischen Parlament eine Plattform verschafft, auf deren Grundlage Präsidentschaftswahlen stattfinden konnten.

Dabei scheint es sich um einen Versuch Syriens zu handeln, vor allem seine arabischen Nachbarn zu überzeugen, daß es ernsthaft an einer Lösung für den Libanon interessiert ist, die schließlich auch wirklich zu einem Abzug seiner Truppen führen könnte. Syriens Truppen sind seit 1976 im Nachbarland stationiert und halten derzeit mit ca. 35.000 Mann fast zwei Drittel des Landes unter Kontrolle.

Den Quellen zufolge spiegelt das Dokument, was in den Abkommen von Taif bereits öffentlich festgestellt wurde: daß innerhalb von zwei Jahren nach der Bildung einer Regierung der „nationalen Einheit“ und der Durchführung politischer Reformen im Libanon, Syrien seine Truppen aus Beirut in das westliche Bekaa-Tal verlegen und dann mit der neuen Regierung über einen Zeitplan für den vollständigen Abzug verhandeln wird.

Syrische Regierungsfunktionäre wollten keinen Kommentar abgeben, als sie nach der geheimen Verpflichtung befragt wurden. Diplomaten spekulieren, Syrien habe Angst davor, daß das Schreiben als Sieg für General Michel Aoun betrachtet werden könne. Aoun, der die christliche Opposition und ca. 15.000 Truppen im libanesischen „Christenland“ gegen das Abkommen von Taif anführte, polemisierte vor allem, das Abkommen sage nichts über einen detaillierten Zeitplan für den Abzug der Syrer, und überhaupt könne man sich nicht darauf verlassen, daß Syrien sich an ein Abkommen halten werde, das es nicht schriftlich unterzeichnet hat. Eine frühere Veröffentlichung von Syriens schriftlicher Verpflichtung hätte den Quellen zufolge jedoch durchaus dazu beitragen können, Aouns politische Position zu untergraben. Ein arabischer Diplomat: „Ich weiß wirklich nicht, warum sie es nicht veröffentlicht haben.“

Das Bekanntwerden der Zusatzvereinbarung erklärt jedenfalls, warum das libanesische Parlament schließlich dem Abkommen von Taif am 22. Oktober zustimmte, nachdem die drei Wochen dauernden Diskussionen mehr als einmal dem Scheitern nahe schienen. Direkt nach seiner Rückkehr aus Damaskus gab Prinz Saud privat den Parlamentariern Garantien der Arabischen Liga für zukünftige syrisch-libanesische Verhandlungen über die Dauer der syrischen Militärpräsenz im Libanon.

Obwohl sich der Text nicht ausdrücklich auf die israelischen Truppen im Südlibanon bezieht, sagte eine palästinensische Quelle: „Ich glaube, die Anwesenheit der Syrer im Bekaa wird eine Manövriermasse sein, die sie später einsetzen können für den Abzug der Israelis aus dem Südlibanon und um Sicherheitsvereinbarungen zu treffen, daß libanesisches Gebiet in Zukunft nicht für militärische Operationen Israels gegen Syrien benutzt werden kann.“

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