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Genscher sichert Rumänien westliche Hilfe zu

■ Bundesaußenminister will bei EG-Partnern Unterstützung suchen / Gemischte Wirtschaftskommission soll Wirtschaftsbeziehungen Bonn-Bukarest ankurbeln / Rumänische Regierung räumt Fehler bei dem inzwischen zurückgenommenen KP-Verbot ein

Bukarest (afp/dpa) - Der Demokratisierungs- und Wiederaufbauprozeß in Rumänien wird von der Bundesregierung umfassend unterstützt werden. Bei seinem ersten Besuch in Rumänien nach dem Sturz des Ceausescu-Regimes versicherte Außenminister Hans-Dietrich Genscher der provisorischen Führung der Front zur Nationalen Rettung (FNR), er werde auf dem Dubliner EG-Außenministerrat am 20. Januar gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Roland Dumas Hilfsmaßnahmen als Ergebnis ihrer Gespräche in Bukarest vorschlagen. Dumas war wenige Tage vor Genscher in Rumänien gewesen. Bukarest solle auch in die Hilfe der 24 westlichen Industrieländer einbezogen werden, die die Reformprozesse in Mittel- und Osteuropa unterstützen wollen.

Genscher, der unmittelbar nach seiner Ankunft in Bukarest mit dem amtierenden Präsidenten des Front-Rates, Ion Iliescu, mit Ministerpräsident Petre Roman und seinem Amtskollegen Sergiu Celac gesprochen hatte, zeigte sich beeindruckt von dem Ernst und der Verantwortung, mit der sie sich den vor ihnen liegenden Aufgaben - Prozeß der Demokratisierung, Achtung der Menschenrechte und der Gesetze der Rechtsstaatlichkeit - sowie der Lösung der schwierigen ökonomischen Probleme stellten.

Der Bonner Minister, der in Bukarest sowie am Dienstag in Hermannstadt und Temeswar mit Vertretern der Rumäniendeutschen sprechen wollte, setzte sich nachdrücklich für einen vollen Minderheitenschutz ein. Er bekräftigte, daß die Bundesregierung die Unterstützung der Rumäniendeutschen zur Wahrung ihrer Kultur und Identität ausbauen und verstärken wolle. In Rumänien leben noch etwa 220.000 Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben sowie eine kleine Gruppe Sathmarer Schwaben. 80 Prozent von ihnen sollen sich mit Ausreiseplänen tragen. Genscher betonte, Bonn respektiere die Entscheidung eines jeden zu bleiben. Diejenigen, die das Land verlassen wollten, müßten dies ungehindert tun können.

Unterdessen hat der Rat der Front zur Nationalen Rettung in Rumänien, das höchste Machtorgan des Landes, eigene Fehler eingeräumt. So sei die Entscheidung vom vorigen Freitag, jede kommunistische Partei in Zukunft zu verbieten, „ein Fehler gewesen“, sagte Ratssprecher Aurel Munteanu am Montag vor der Presse in Bukarest. Die anwesende Mehrheit der elf Mitglieder des Exekutivbüros des Rates „war nicht befugt, solche tiefgreifende Entscheidung zu treffen“, sagte Munteanu weiter. Der Rat hatte bereits einen Tag später den Beschluß aufgehoben und einen Volksentscheid über diese Frage am 28.Januar angesetzt. Den Fehler des Rates führte der Sprecher auf die mangelnde Erfahrung mit der Demokratie zurück: „Wir müssen den demokratischen Prozeß erst lernen.“ Nach Meinung von Munteanu sollte sich auch die KP an den für April vorgesehenen Wahlen beteiligen können. „Wir sollten keine politische Organisation außer den Faschisten verbieten“, sagte er. „Die Kommunisten haben einige Ideen, die viele Menschen teilen.“

Die Armee hat in der westrumänischen Stadt Temeswar nach den Worten ihres Regionalkommandanten General Gheorghe Popescu nicht die Macht übernommen, sondern will nur bis zur Wahl einer neuen örtlichen Verwaltung am 19. Januar die Ordnung aufrechterhalten.

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