: Fernsehrechte und Berlinstatus
■ Warum es manchmal schwer ist, gute Filme ins Kino zu bringen
Zum Beispiel High Hopes von Mike Leigh. Eine britische Produktion, gesendet von Channel Four. Auch im Kino lief er gut. Ich sah ihn 1988 auf dem Filmfest in Hof, ein liebenswerter kleiner Film über den Alltag im Thatcher -England. Zwischen all dem bundesdeutschen Mittelmaß eine Erholung. Die Protagonisten: drei Pärchen - zwei Freaks, zwei Yuppies, zwei Kleinbürger. Keine Schönheiten, keine Stars. Shirley hat ein schiefes Gebiß, Cyril trägt Parka und Bart und Wollsocken, die Bude der beiden ist muffig und kalt, und die Kakteen haben Namen. Der größte heißt Margaret Thatcher. Cyrils Schwester Valerie macht auf neureich und kriegt regelmäßig hysterisch-schrille Anfälle. Cyrils uralte Mutter sitzt apathisch in ihrem Reihenhaus im alten Arbeiterviertel, in den Nachbarhäusern wohnen längst die Yuppies.
Aber High Hopes ist kein sozialkritisches Stück über die Klassengesellschaft. Mike Leigh ist ehrlicher: Er denunziert nicht die hysterische Valerie und idealisiert nicht das Hippie-Pärchen: Shirley will ein Kind, Cyril findet das politisch unverantwortlich. Er läßt nicht mit sich reden. Kein Szene-Idyll.
Ein Jahr lang war von High Hopes hier nichts mehr zu hören. Erst wieder zum Europäischen Filmpreis 1989, dort bekam er drei Preise: für die beste Darstellerin, die beste Nebendarstellerin und die beste Musik. Trotzdem hat High Hopes nach wie vor keinen „richtigen“ deutschen Verleih. Der Grund: Für die Verleiher lohnt es sich heutzutage kaum noch, sich nur die Kinorechte zu sichern. Ihr vornehmliches finanzielles Interesse gilt den Fernseh- und Videorechten. Aber bisher will keine bundesdeutsche Fernseh-Anstalt High Hopes zeigen. Wegen Anti-Thatcherismus. Diese Auskunft bekam zumindest der kleine West-Berliner Filmverleih Sputnik, der den Film jetzt im eigenen Kino zeigt. In Original-Version, sprich: schwer verständlichem Cockney -Englisch. Der Sputnik-Filmverleih hat sich selbst verpflichtet, den Film bei mehr als 1200 Zuschauern wöchentlich zu untertiteln. Aber die 1200 Zuschauer werden sich, gerade mangels Synchronisation und mangels anderer Spielstätten in Berlin, wohl kaum einfinden.
Anderes Beispiel: die überfällige Kieslowski-Retropsektive. Seit Kurzer Film über das Töten Furore machte, waren hierzulande kaum Filme des polnischen Regisseurs zu sehen. Retrospektiven gab es bisher nur auf kleiner Festivals und, zur Zeit noch, in Hamburg. Das Sputnik-Kino will das Paket nun nach Berlin holen. Aber das geht nur, wenn die Intervention des 1. Botschaftssekreätrs der Polnischen Militärmission in Bonn Erfolg hat. Auch Filme brauchen nämlich ein Visum, und ein Visum für die Bundesrepublik gilt aus statusrechtlichen Gründen nicht für West-Berlin. Schlimmstenfalls also müssen die Kieslowski-Filme von Hamburg erst wieder nach Warschau, bevor sie nach Berlin dürfen.
Auch Kieslowskis Dekalog, der mit Hilfe von SFB-Geldern produziert worden und dessen Ausstrahlung eigentlich für den vergangenen Herbst angekündigt war, wird ab 4. Mai in der Nordkette endlich synchronisiert zu sehen sein. (Ebenso ORF, Schweizer Fernsehen, BR und WDR). SFB-Redakteur Kompatzki erläutert die Verzögerung: 'Pol-Tel‘, der staatliche Produzent, konnte bisher kein sendefähiges Material zur Verfügung stellen.
chp
Zu „High Hopes“ siehe auch Berlin-Lokalteil
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