: Amphetamine-Bennie und der schnelle Carl
Der sechsfache Olympiasieger Carl Lewis äußert sich über seinen Rivalen Ben Johnson, Doping und die DDR ■ PRESS-SCHLAG
Während Manager und Veranstalter schon eifrig um das Zehn -Millionen-Dollar-Sprintduell zwischen Ben Johnson und Carl Lewis direkt nach Ablauf der zweijährigen Sperre des Kanadiers im September feilschen, ist für Lewis noch längst nicht klar, ob er gegen Johnson antreten wird. „Es wird eine lange Liste von Dingen geben, die vorher geklärt werden müssen“, sagte der 28jährige sechsfache Olympiasieger im Gespräch mit Journalisten der 'Washington Post‘, „und ich habe sie noch nicht fertig.“
Ihm sei es nicht sonderlich wichtig, gegen Johnson anzutreten. „Wenn er keine Drogen nimmt, kann er mich und eine Menge anderer Athleten nicht schlagen, und wenn er welche nimmt, ihr habt gesehen was passiert ist - man hat ihn erwischt.“ Aber wenn das Rennen eine Menge Aufsehen erregen würde und etwas für den Sport getan werden könnte, dann könnte das viel interessanter werden als der Lauf selber. „Was immer wir tun werden, es wird ein Forum für Drogenbekämpfung und Testprogramme sein.“
Gleichzeitig erhob Lewis neue Vorwürfe gegen Johnson. Der Kanadier sei bei seinem später annullierten Olympiasieg 1988 in Seoul nicht nur mit dem anabolen Steroid „Stanozolol“ gedopt gewesen, sondern habe zusätzlich auch Amphetamine genommen, um sein Finish zu verbessern. „Jeder wußte das“, erklärte Lewis. „Fünf Wochen vorher in Zürich hatte er denselben Vorsprung vor mir und büßte ihn ein, in den Vorläufen von Seoul ging ihm am Schluß immer die Puste aus. Aber im Finale verlor er keinen Zentimeter. Da wußte ich, daß er etwas genommen hatte.“
Im übrigen sei er überzeugt, daß der Dopingsünder aus Kanada nach wie vor Steroide zu sich nehme. „Ich habe ihn bei einem Kongreß-Hearing in Washington gesehen, und ich fand, er sah genauso aus wie in Seoul. Man kann es jemandem immer ansehen, wenn er Steroide benutzt.“ Schon lange vor Seoul habe er über den Anabolika-Konsum Johnsons Bescheid gewußt: „Physisch hatte er sich über Nacht verändert, und sein Temperament wechselte vollkommen. Er war ein sehr zurückhaltender Mensch, und dann wurde er plötzlich großmäulig, negativ, sehr grob gegen alle. Ich hatte keine Lust, irgend etwas zu ihm zu sagen.“
Johnsons Anwalt Ed Futerman wies die Anschuldigungen von Lewis scharf zurück. „Seit Seoul ist Ben zweimal ohne Anmeldung getestet worden, und er war beide Male negativ. Ben Johnson ist sauber, und er war sauber seit Seoul. Das ist eine Tatsache.“ Im Gegenzug fragte Futerman süffisant, wie oft denn wohl Carl Lewis ohne Vorankündigung getestet worden sei. „Bislang überhaupt noch nicht“, mußte dieser zugeben, ein Tatbestand, den er selber „sehr überraschend“ findet.
Außer zur Person Ben Johnsons und zu Dopingfragen äußerte sich Lewis, dessen Autobiographie bald erscheinen soll, auch zu seiner eigenen Zukunftsplanung. Er will auf jeden Fall bis zum Jahre 1993 weitermachen, obwohl er sich mehr und mehr für andere Aufgaben, etwa als Rundfunk- und Fernsehkommentator, interessiere. „Ich glaube, physisch kann ich noch drei weitere Saisons auf diesem Niveau durchstehen.“ Außerdem trage er sich mit dem Gedanken, im Laufe des Jahres den Weitsprungweltrekord Bob Beamons aus dem Jahre 1968 (8,90 Meter) in Höhenlage anzugreifen, ein Vorhaben, das er bisher stets als unehrenhaft abgelehnt hatte. „Es ist aber keine große Sache für mich. Wenn der Rekord kommt, dann kommt er halt.“
Während er Kommentare zur Leistungsexplosion von Florence Griffith-Joyner im Jahre 1988 als gebranntes Kind diesmal wohlweislich verweigerte und sich nur „wunderte“, daß sie so plötzlich aufgehört habe, äußerte er sich zur DDR -Leichtathletik, der er einen Niedergang bei gleichzeitigem Aufstieg der Westdeutschen prophezeite. Er wolle nicht sagen, daß alle Leichtathleten und -athletinnen aus der DDR Steroide genommen hätten, „aber ich denke, es war ein höherer Prozentsatz als sonst auf der Welt.“
Der „größte Mythos“ sei allerdings, daß „alle“ Steroide benutzen würden. „Das ist einfach nicht wahr. Das sagen die Leute nur, um zu rechtfertigen, daß sie welche nehmen.“
Matti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen