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Brücke verpaßt-betr.: Karikatur (Großdeutschland), taz vom 11.1.90

betr.: Karikatur (Großdeutschland), taz vom 11.1.90

Kohl hat mit Wohlbehagen Äpfel und Birnen verglichen und überall „konföderative Strukturen“ entdeckt, die es nun aufzuspüren gilt. Obwohl ihm als erstem Kanzler das Verdienst zukommt, ein Potemkinsches Dorf vor aller Augen gebaut zu haben, indem er im Bundestag seine zehn Punkte stundenlang korrigierte, wobei diese von der 'FAZ‘ tagesgleich zur Kenntnis gebracht waren, beginnt nun sein „Hase-und-Igel-Rennen“.

Die Vision „Staatenbund“ einerseits und deren Spiegelbild „Einig Vaterland“ auf der anderen Seite sind so faszinierend wie unrealistisch, daß der übergewichtige Kohl wie eine Lawine durch die Landschaft zu kollern droht. Die Minister Seiters und Blüm eilen dabei mal vorneweg, mal hinterdrein und erfahren breite Zustimmung bei ihrer Klientel im Bundestag. Denn: hat doch für viele schon Listenplatz 18 genügt, um vom unerkannten Hoffnungsträger auf geheimnisvollen Landesparteitagen zum bedeutenden Zwischenrufer im hohen Haus zu werden.

Ob Kohl als Amerikaner seine Masse gehalten hätte, weiß trotz Konföderationsvision keiner. Der Kampf um Bekanntheit bei allgemeinen Vorwahlen, eigenen Parteitagen und dann im Hauptwahlkampf selbst ist so schweißtreibend, daß es niemals einen dicken Präsidenten gab.

Darum kann es Kohl auch nicht gelingen, Bush und Gorbi den Aufschlag abzunehmen, gerade weil er wie ein „Hans-guck-in -die-Luft“ ohne „atlantisches Denken“ die Brücke verpaßt und direkt ins Wasser donnert...

Hoffentlich werden wir dabei nicht naß gemacht!

Peter Schlehmiehl, Frankfurt

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