Sonntag

Lassen wir SAT1 eingeschaltet, wird der Sonntag bestialisch. Um 11Uhr ist Tom Skerritt der Gefangene der Bestien, die auch von der früher bei den Mamas & Papas singenden Michelle Philips nicht besänftigt werden können. Um 17.00 Uhr folgt auf dem gleichen Kanal Rettet die Bestien, bei denen es sich zwar auch um Löwen, aber kaum um das gleiche Rudel handelt. Und damit noch immer nicht genug, schieben die SATmen um 19.05 Uhr noch die Episode Die Ballerina aus der Reihe Die Schöne und das Biest hinterdrein.

Doch zurück zum Nachmittagsprogramm. RTLplus schickt ja sonntags Dr. Who durch Raum und Zeit. Seit 1963 ist Dr. Who in seinem Heimatland Großbritannien schon unterwegs, und rund um diesen Serienklassiker rummeln die Fanclubs und Einzelverehrer; die Briten sind ja fürs Triviale sehr viel aufgeschlossener als wir. Würden die öffentlich-rechtlichen Sender am Sonntagnachmittag einen Fellini-Film senden? Ich wage diese rhetorische Frage mit Nein zu beantworten. RTL plus bringt so etwas, nämlich um 16 Uhr aus Anlaß des 70. Geburtstages des italienischen Regisseurs, dessen nostalgische Rückschau Fellinis Intervista. Später am Abend schlägt dann um 22 Uhr das ZDF in die Memorabiliakerbe und wiederholt La Dolce Vita, in dem Marcello Mastroianni mit Anita Ekberg baden geht.

West 3 setzt dagegen um 15 Uhr mit dem Stummfilm Wilde Orchideen die Greta-Garbo-Reihe fort; und weil an diesem Wochenende die Erinnerung hochgehalten wird, schließt sich nahtlos eine Dokumentation zum 40. Todestag George Orwells an, Der Mann, der „1984“ schrieb lautet ihr Titel

Wie faßt man den deutschen Humor in zwei Worte? Franz Muxender. Der fehlt zwar in dem Machwerk Zärtlich, aber froh wie Oskar, den das RTL-Programm für 20.15 Uhr vorsieht. Jedoch wird sich der nicht minder tüchtige Herbert Fux gewiß mühen, ihn vermöge wilder Grimassen und hektischer Gesten den zu ersetzen. Wenn alles nix hilft, bleibt „Regisseur“ F.J. Gottlieb ja immer noch der Zeitraffer und uns der Beamer, mittels dessen sich solche Zumutungen eliminieren lassen. Warum ich in dieses Science-fiction -Vokabular verfalle? 3SAT jagt um 19.30 Uhr den überaus sehenswerten utopischen Thriller Der Tag, an dem die Erde Feuer fing durch das Kabel, dessen Autoren mit der Fiktion spielen, die Erde werde von der Wucht mehrerer Atombombenexplosionen aus ihrer Bahn geworfen. In New York herrscht eine mörderische Kältewelle, Europa verödet unter der sengenden Sonne. Diese anno '61 noch als Zukunftsvision gedachten Wettermeldungen sind uns so unbekannt nicht.

Fast könnte man meinen, Manfred Krug sei auch schon tot, widmet die ARD ihm doch fast den gesamten Sonntag abend. Um 20.l5 Uhr rackert er sich als Tatort-Kommissar Stöver zunächst ab, den oder die Mörder eines - wie delikat „Zuhälters für Homosexuelle“ und eines - wie brisant Umweltpolitikers zu ertappen. Um 23.10 Uhr muß er als Anwalt Liebling - Kreuzberg wieder los, seine Mandanten vor Unrecht zu schützen, das diesmal sogar von staatlichen Organen ausgeht, die ungebetene Hausbesuche (so der Titel dieser Folge) machen.

Harald Keller