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Slowenen verlassen Belgrader Parteikongreß

■ Die Orthodoxe serbische Parteiführung verhindert Liberalisierungsbestrebungen / Auf dem Sonderparteitag der Kommunistischen Partei Jugoslawiens waren sämtliche Forderungen der Slowenen abgeschmettert worden / Es wurde kein Beschluß über Monopol gefaßt

Belgrad (dpa/taz) - „Der Bund der Kommunisten besteht nicht mehr“, ist die Übereinstimmende Meinung der jugoslawischen Zeitungen nach dem Abbruch des Sonderparteitages am Dienstag früh in Belgrad. Die slowenischen Kommunisten hatten den Kongress verlassen, nachdem sie bei fast allen Anträgen für eine Demokratisierung von Partei und Innenpolitik niedergestimmt worden waren. „Die Abstimmung hat alle Masken mit den Phrasen über Pluralismus und Demokratie heruntergerissen“, erläuterte der prominente slowenische Politiker Peter Bekes die Lage. Und für den slowenischen Parteichef Ciril Ribicic sei „nicht einmal ein Minimum an Selbständigkeit und Gleichberechtigung der Republiksparteien möglich“. Die slowenische Partei, die für weitere Liberalisierungen eintritt, sieht sich auf verlorenem Posten gegenüber der Mehrheit in der Partei. Mit dem gestrigen Eklat haben die Spannungen zwischen der reformerischen Minderheit, die vor allem in der slowenischen Partei ihren Rückhalt hat, und der von der serbischen Partei angeführten Mehrheit der Parteiorthodoxen einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Eskalation könnte zu einem Auseinanderbrechen Jugoslawiens führen.

Gespannt waren die Beobachter über das Verhalten der kroatischen Kommunisten, die in den letzten Monaten immer mehr zur slowenischen Seite hin tendierten. So ist es durchaus als politische Aussage zu werten, wenn der Sekretär der kroatischen Parteispitze, Boris Malada, das undemokratische Verhalten der Parteispitze beklagte und damit für die slowenische Position Partei ergriff. Seiner Meinung nach habe der aus Mazedonien stammende Parteichef Milan Pancevski, der der serbischen Partei nahesteht, einen Beschluß über die „Vertagung“ des Kongresses einfach nur durchgepaukt, ohne die Stimmen bei der Schlußabstimmung zählen zu lassen. Dabei habe die kroatische Delegation Pancevski durchaus klarzumachen versucht, daß die kroatische Partei nach dem Auszug der Slowenen alle Beschlüsse des Kongresses als hinfällig betrachte.

Alle slowenischen Anträge waren zuvor von der Mehrheit niedergestimmt worden: die Aufhebung des Demokratischen Zentralismus, die Beendigung aller politischen Prozesse, eine Amnestie für politische Gefangene, die Achtung der Menschenrechte in der von Albanern bewohnten und von Serbien beherrschten Provinz Kosovo, die Aufhebung der Wirtschaftsblockade Serbiens gegenüber Slowenien. Und schließlich hatte der Kongreß den slowenischen Forderungen nach einer größeren Selbständigkeit der acht Republiken und zwei autonomen Provinzen (Kosovo und Wojwodina ) auf serbisches Betreiben eine klare Absage erteilt.

Ursprünglich hatte der Kongreß das Machtmonopol der Partei abschaffen und das Mehrparteiensystem einführen wollen. Dieser Beschluß wurde zwar mit großer Mehrheit verabschiedet, ist jedoch durch den Auszug der Slowenen nicht mehr gültig. Die durch den serbischen Parteichef inspirierte Parteitagsregie war darauf ausgerichtet, grundsätzliche Entscheidungen zu verhindern. Nach außen hin sollte dem jetzigen Regime ein bißchen mehr Liberalität angestrichen werden, ohne tatsächlich die Verhältnisse grundlegend zu verändern, erklärte eine slowenische Delegierte. Denn angesichts der rasenden Inflation und den sich verschleppenden Wirtschaftsverhandlungen mit der EG, die andererseits ihre Kontakte mit anderen Ländern, wie Ungarn, der DDR, der CSSR und auch Polen intensiviert, zwinge auch Serbien zu einer nach außen hin liberaleren Politik. Doch die Wirklichkeit sehe anders aus: Die für April geplanten Wahlen zu den Republikparlamenten wurden in Serbien schon im letzten November nach altem undemokratischen Muster durchgeführt, so daß auch bei einer Änderung der Wahlgesetze die serbische Politik von einem Mehrparteiensystem zumindest für die nächsten fünf Jahre „verschont“ bleibt.

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