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Mäusedreck und K Krötenauge

■ Was die modernen Alchimisten in ihren gentechnischen Labors so alles erfinden, geht auf keine Kuhhaut. Eher der Kuh ins Erbgut. Ob derart getunete Rindviecher allerdings das Ernährungsproblem der Welt lösen werden, ist dabei völlig wurscht. Hauptsache die Giftköche können ihre überflüssigen Manipulationen patentieren lassen.

Wie aus Dreck Gold gemacht werden soll, beschreibt

CHRISTIAN STERNBERG.

ünf Liter frisches Schweineblut und fünf Liter Fleischbrühe mit 80 Gramm Kochsalz und 50 Gramm Schweinegalle 90 Minuten lang gerinnen lassen. Das daraus entstandene Gel in handelsübliche Scheiben schneiden und in 130 Grad heißem Ölbad zu Schweineleber verzaubern. „Essen aus Müll“ nennt das der Industriekritiker Reinhard Klopfleisch.

Ab 1993 dürfen sich alle Europäer an solchen Leckerbissen erfreuen: Leberimitat ganz ohne Schwermetalle. Den Köchen des chemischen Plast-foods graust es vor gar nichts. Sie greifen sogar zu Abfällen wie Hühnerfedern und lösen die Eiweiße teilweise mit giftigen Chemikalien, wie dem Nervengift Hexan, heraus. Schließlich muß es sich ja rechnen. Die Eiweißrohstoffe müssen billig sein, denn die Aromen und Farben, mit denen solche Proteinpampe zur Illusion vom Lebensmittel veredelt wird, sind teuer. Und sie müssen unter Patentschutz stehen, um den Profit für die industriellen Designer zu garantieren. Die EG hat dementsprechend im Interesse der Industrie vorgesorgt. Ihr Forschungsprogramm ECLAIR (European Collaborative Linkage of Agriculture and Industry through Research) finanziert, zur Verminderung der industriellen Herstellungskosten, die Suche nach biotechnischer Beschaffung billiger Grundstoffe aus landwirtschaftlichen Produkten, und das Projekt FLAIR (Food -Linked Agro-Industrial Research) sucht biotechnisch den objektiven Geschmack für die so gewonnenen Nährlösungen.

Biotechnik heißt, daß man Kleinstlebewesen oder Zellen in Rohstoffen arbeiten läßt. Bei Joghurt, Käse oder Bier geschieht das auf natürlichem Wege. Allerdings werden dabei hochwertige landwirtschaftliche Produkte, zum Beispiel Milch, eingesetzt. Den modernen Food-Designern ist richtige Milch aber viel zu teuer.

Wenn Europas Handelsschranken endgültig gefallen sind, dann kommt auch in unsere Kühlregale, was in England und Frankreich den Absatz natürlicher Milch bedrängt. Englische Konzerne setzen mit Milch- und Butterimitaten aus Sojabohnen schon jährlich 400 Millionen Mark um, denn Milchfett ist dreimal so teuer wie Sojaöl.

ngesichts dieser bedrohlichen Marktlage für Milchproduzenten versuchen amerikanische Chemiekonzerne das gentechnische Wachstumshormon BST auf den Markt zu bringen. Die verführerische Formel des Milchleistungssteigerers: Europas Kühe bei gleichbleibender Milchproduktion mit weniger Futter versorgen, wobei auch weniger Gülle in die Äcker sickert.

Ein wirtschaftspolitischer Flop, wie wir ihn bei gentechnischen Arzneimitteln schon kennen, da sich manches Produkt als völlig unnütz herausgestellt hat? Sicherlich ja, wenn Clemens Wollny vom BST-Hersteller Monsanto recht behält. Er verspricht, daß sowohl große Agrarfarmen als auch kleine Bauernhöfe das gentechnische Hormon gleichermaßen nutzen könnten. Die EG-Kommission ist davon nicht ganz überzeugt: Sie ist der Auffassung, daß die Milchleistung um so mehr steige, je besser die Landwirtschaft gemanagt werde.

So geben beispielsweise BST-gedopte Ostblockkühe nur sechs Prozent mehr Milch, wenn überhaupt mehr aus dem Euter läuft. Denn die Turbokuh, deren Leistung mit BST um zwanzig Prozent steigen soll, braucht besonders erlesenes Futter. Eine halb verhungerte Kuh in einem armen Land des Südens wird dann trotz gentechnischen Dopings aus dem Norden keinen Tropfen Milch mehr geben. BST nützt also bestenfalls dem Hersteller.

Die per chemischen Supereisprung, künstlicher Besamung, Embryonen-Screening und Embryonen-Transfer (ET) gezeugten Inzuchtrinder allerdings geben selbst bei 40 Grad Fieber noch ihre 30 Liter Milch. Für die Tierärztin Anita Idel, Lehrbeauftragte für Gentechnik in Kassel, ist das „ein groteskes Beispiel für den genetischen Leistungszwang“. Entsteht daraus auch der Zwang zur Gentechnik?

Tiermedizinprofessor Joachim Hahn zählt die ET-Tauglichkeit schon heute zu den wichtigsten Zuchtzielen. Genau das ist auch Voraussetzung für Genmanipulationen, gegen die sich die Natur noch wehrt. So haben DDR-Wissenschaftler in einem Rinderembryo das Wachstumsgen zwar verzehnfacht, sie konnten aber in dem fertigen Kalb nur Bruchstücke davon wiederfinden.

olche Pleiten mit den Erfolgen der Gentechnik sind typisch. Man kann lediglich feststellen, ob das neue Gen drinsitzt im Tier, in der Pflanze oder in der Bakterie. Aber wo es sich genau im Erbgut eingenistet hat, und was alles in dem neuen Wesen anders abläuft, kann niemand sagen. Da die Verfahren mit ihren mehr oder weniger zufälligen Ergebnissen nicht genau beschrieben werden, können Fachleute sie nicht mit demselben Erfolg nachvollziehen. Das wäre aber eine notwendige Voraussetzung für den rechtlichen Patentschutz, der den Herstellern das Monopol auf ihr Produkt und dessen Weiterzüchtung garantiert. Bislang waren die Pflanzenzüchter mit dem bestehenden Sortenschutz, der ihnen zwar Rechte auf das Saatgut, nicht aber auf dessen Folgeerträge zugesteht, vollauf zufrieden. Selbst dann, wenn es um biotechnologische Leckerbissen wie die Ketchuptomate ging, die äußerst profitträchtig ist. Der wurde eine besonders harte Schale angezüchtet, mit der sie überreifes Fruchtfleisch so lange festhält, bis alle anderen Tomaten auch reif geworden sind. Das ist praktisch bei der Ketchupernte.

Doch was den mittelständischen Pflanzenzüchtern Rechtsschutz genug war, ist der chemischen Industrie, die immer mehr Saatgutfirmen aufkauft, zu billig. Denn heute dürfen Bauern nach dem Sortenschutz mit gekauftem Saatgut selber munter weiterzüchten, sofern ihnen das gelingt. Manche altmodisch gezüchteten Hochertragssorten können sich nämlich nicht mehr vermehren.

Bei gentechnisch manipulierten Laborpflanzen wird jedoch darauf geachtet, daß sie fruchtbar bleiben. Das ist mit Sicherheit billiger, als jede Generation der herkömmlichen Retortenpflanzen neu zu manipulieren. Trotzdem wollen die Chemiemultis den Landwirten ihre Servicepakete, die aus Pflanzengift und dagegen widerstandsfähigem Saatgut bestehen, weiterhin komplett verkaufen. Und damit die Landwirte die Saat nicht selber vermehren dürfen, muß der Patentschutz her.

Der Wunsch der Industrie ist Europas Kommissaren Befehl. Eine neue Richtlinie steht jetzt zur Entscheidung an, nach der auch Pflanzen und Tiere patentiert werden können, obwohl die gentechnischen Verfahren nicht präzise genug beschrieben werden können.

us diesen Pflanzen, die gentechnisch widerstandsfähig gegen Pflanzengifte gemacht sind oder ihre bakteriellen Gifte höchstselbst verspritzen, wird man nicht mehr wie gewohnt Brot backen oder Essen kochen können. Wer weiß, ob die virusresistente Kartoffel plötzlich ihr Gift Solanin auch in der Knolle produziert, fragt Florienne Köchlin vom Basler „Appell gegen Gentechnik“ die eidgenössischen Forscher, die die neue Pflanze im Freiland testen wollen.

Für die Rezepte der Zukunft wird es egal sein, ob die Eiweiße aus „Giftoffeln“ oder aus Blut stammen, Hauptsache, die teuren neuen Gene werfen auch die Rendite ab. Zum Beispiel fördert gentechnisches Erythroprotein die Bildung von Hämoglobin, dem roten Blutfarbstoff. Und Unilever hat das Patent, aus Hämoglobin ein geschmacksneutrales Eiweiß zu gewinnen. Das braucht dann nur noch ein wenig Flair.

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